Deutsches Schiffahrtsmuseum

Presse-Info-Service

Info Nr. 08/00 vom 04.04.2000

Holländische Kupferstiche dokumentieren Stand der Schiffbaukunst im 17. Jahrhundert

Neues für die "Schiffahrt der Frühen Neuzeit" im Archiv des Deutschen Schiffahrtsmuseums

Photos gehören für uns heute zu den selbstverständlichen Informationsquellen über alle Dinge des täglichen Lebens. Vor der Erfindung der Photographie und massenweisen Verbreitung von Kameras war das nicht so. Damals wurde nur dann gelegentlich einmal die eine oder andere Alltagsszene aufgefangen und der Nachwelt als Bildquelle - oft allerdings mit zweifelhafter Detailtreue - hinterlassen, wenn sich zufällig einmal ein Künstler dafür interessierte. Und so gehören auch im Bildarchiv des Deutschen Schiffahrtsmuseums Darstellungen maritimer Szenen vor dem Ende des 19. Jahrhunderts verglichen mit dem schier unerschöpflichen Bestand des Photoarchivs eher zu den Raritäten.

Einen bedeutenden Gewinn in diesem Sinne konnte Dr. Albrecht Sauer, Leiter des Forschungs- und Ausstellungsbereichs "Deutsche Schiffahrt der Frühen Neuzeit", jüngst mit dem Erwerb von fünfzehn, zwischen 1620 und 1730 entstandenen und wertvollen Arbeiten niederländischer Künstler und Kartenstecher aus belgischem Privatbesitz erzielen. Bereits ein gutes halbes Jahr zuvor erwarb er ebenfalls in Belgien 48 Kupferstiche des holländischen Malers Gerrit Groenewegen, der von 1754 bis 1826 in Rotterdam gelebt, ein reiches künstlerisches Wirken entfaltet und der Nachwelt Schiffs-, Hafen- und Küstenszenen überliefert hatte. Vor allem hatte er sich auf Radierungen von solchen Schiffstypen verlegt, die damals auf holländischen Werften vom Stapel liefen und u. a. auch von deutschen Schiffbauern an Nord- und Ostsee nachgebaut wurden.

Die zuletzt angekauften wissenschaftlich und künstlerisch wertvollen Grafiken zeigen einen Abschnitt in der Schiffbaugeschichte auf, der ein gutes Jahrhundert weiter zurückliegt als der von Gerrit Groenewegen festgehaltene Stand der Schiffbaukunst. Allein zehn der jetzt angekauften Werke hat der Amsterdamer Reinier Nooms, genannt Zeeman, in Kupfer gestochen. Er hieß eigentlich Reinier Nooms, lebte von 1623 bis 1667 und genoß als Marinemaler bis in die Gegenwart hinein hohes Ansehen. Sein Hauptbild "Seeschlacht von Livorno" hängt im berühmten Reichsmuseum in seiner Heimatstadt. Die neu im DSM-Besitz befindlichen Kupferstiche geben nicht nur wieder, welche Bootstypen Mitte des 17. Jahrhunderts die Gewässer vor Europas Küsten und die schiffbaren Flüsse befuhren, sie bringen diese Zeit auch, wie Dr. Sauer hervorhebt, in "wunderbaren Alltagsszenen" zurück, so in den Bildern von drei Pinken unter Segel auf bewegter See, von Binnenschiffen unter Segel bei Flaute, einer Uferszene mit Binnenschiff und Fischerboot sowie - als teuerstes Objekt - von einer Fregatte und einer Staatsjacht unter Segeln.

Zwei weitere Arbeiten stammen aus dem künstlerischen Nachlaß von Siewert van der Meulen, Aquarellmaler, Zeichner und Kupferstecher in Alkmaar. Sein Geburtsdatum liegt bis heute im Dunkeln. Nachweisbar ist jedoch, daß er seit 1698 in Alkmaar lebte und 1700 in die Gilde aufgenommen wurde. Auch sein Todestag ist bekannt: der 18. Juni 1730. Von ihm konnte Albrecht Sauer zwei Bilder erwerben. Auf dem einen ist ein "Smal-Schip" detailgetreu festgehalten, auf dem anderen eine "Dam-Schuit".

Mit diesem Konvolut von Grafiken hat das Museum noch drei Werke in größeren Formaten ankaufen können. Das eine, mit deutschen Texten unterlegt, dokumentiert eine Seeschlacht, die 1624 während der holländischen Befreiungskriege zwischen spanischen und holländischen Schiffen stattfand. Das zweite datiert aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts: eine Land- und Seekarte von Brügge und seinem Hafen Sluis am Zwin. Das heute versandete Zwin spielte ehedem eine bedeutende wirtschaftliche Rolle als Hauptumschlagsplatz für Waren, die von Süd- nach Nordeuropa und in umgekehrter Richtung transportiert wurden. Das dritte Werk schließlich ist ein Stadtbild von Antwerpen um 1620 mit einzelnen Vignetten von Gebäuden, die als Sehenswürdigkeiten galten. Was dieses Bild für das Deutsche Schiffahrtsmuseum so wichtig macht: Auf einer Vignette ist das Hansekontor zu sehen, mit dem die Hanse nach ihrem Umzug von Brügge nach Antwerpen noch einmal ganz groß herauskommen wollte.

Hinweis: Die Veröffentlichung des Info-Service ist kostenfrei. Wir bitten jedoch bei Druckmedien um Übersendung eines Belegexemplars.


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