Deutsches Schiffahrtsmuseum

Presse-Info-Service

Info Nr. 03/01 vom 09.02.2001

Takelure gibt immer noch krächzende Töne von sich

Waldemar-Koch-Stiftung in Bremen ermöglichte dem DSM den Ankauf von zwei wertvollen und äußerst seltenen Exponaten zur Navigationsgeschichte

In einer Zeit wie der gegenwärtigen, in der Bund, Länder und Kommunen zu rigorosen Einsparungen gezwungen sind, schlägt für Kultur und Wissenschaft die Stunde der Mäzene und Sponsoren, und auf deren Hilfe kann sich das Deutsche Schiffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven nach wie vor verlassen. Um ein Beispiel zu nennen: Die Schausammlung zur Navigationsgeschichte konnte gerade in jüngster Zeit um vier besonders wertvolle und dementsprechend teure Exponate bereichert werden. Für die beiden kostbarsten Objekte hat die Waldemar-Koch-Stiftung in Bremen das Geld bereit gestellt. Deren Vorstandsmitglied Hermann L. Mende kam gestern (8. Februar 2001) nach Bremerhaven, um sie förmlich dem DSM zu übergeben und sich bei dieser Gelegenheit die neuen Ausstellungen im Erweiterungsbau anzuschauen.

Aus seinen Händen nahm der Navigationsexperte des Hauses, Dr. Uwe Schnall, einen gut erhaltenen Jakobstab (Baculus Jacobi) aus Ebenholz entgegen, den der Amsterdamer Instrumentenbauer Jochem Hasebroek im Jahre 1752 angefertigt hatte, dazu eine sogenannte Takelure, ein tragbares Nebelhorn, wie es im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts noch auf vielen Schiffen Verwendung fand.

Kolumbus allerdings konnte die Breitengrade noch nicht mit Hilfe eines Jakobstabes nach der Stellung der Himmelsgestirne bestimmen, als er 1492 Indien ansteuern wollte und eher zufällig die Amerika vorgelagerten westindischen Inseln entdeckte: Das Instrument, obwohl im Prinzip älter, wurde erst um 1500 in die Seefahrt eingeführt, avancierte dann aber rasch neben dem Kompass zum gebräuchlichsten Navigationsgerät bei allen europäischen Seefahrern. Der Jakobstab, den das DSM von einem Sammler im Emsland erwerben konnte, weist an allen vier Seiten unterschiedliche Gradskalen mit jeweils anderen Winkelbereichen auf. Die vier beweglichen Schieber jedoch stammen nicht aus dem Jahre 1752; sie wurden erst in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts in Groningen nachgearbeitet. Das Instrument niederländischer Herkunft passt durchaus in die Ausstellung zur deutschen Schiffahrtsgeschichte, weil die deutschen Reeder und Kapitäne ihre Jakobstäbe im 17. und 18. Jahrhundert überwiegend von den Holländern bezogen, die damals Meister im Instrumentenbau waren.

Das Gerät befindet sich noch in einem erstaunlich guten Zustand, weist aber dennoch eine merkwürdige Beschädigung auf: Die Spitze ist abgescheuert. Wahrscheinlich ist dieser Jakobstab, nachdem er auf See ausgedient hatte, an Land zum Wäscheglätten benutzt worden.

Die Takelure, deren Ankaufskosten ebenfalls die Waldemar-Koch-Stiftung übernommen hat, wie der Jakobstab ein seltenes und unter Sammlern daher hochbegehrtes Gerät, stammt aus dem Jahre 1851 und ist ebenfalls sehr gut erhalten. Das eigentliche Nebelhorn, das heute noch durchdringende krächzende Töne aus einem Kupfertrichter von sich zu geben vermag, wenn man kräftig an der Kurbel dreht, ist in einem Holzkasten untergebracht, der eine Besonderheit aufweist: Er ist bunt bemalt mit Motiven aus dem Binnenland wie mit welligen Wegen, Baumreihen, Figuren und Ortsnamen. Takeluren führte Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Dampfschiffe erst im Kommen waren und somit Warntöne bei dickem Nebel noch nicht mit der Dampfpfeife erzeugt werden konnten, wohl jedes ordnungsgemäß ausgerüstete Segelschiff mit.

Der Kieler Sammler Gerd Bruhn hat dem DSM einen extrem seltenen Pinn-Kompass geschenkt, der eher einem Käsebrett ähnelt als einem nautischen Instrument. Dieser spezielle Kompass aus dem frühen 19. Jahrhundert diente den Kapitänen und Steuerleuten einst als Gedächtnisstütze und ermöglichte es ihnen, nach jeder vierstündigen Wache den gesteuerten Kurs nachzuvollziehen und in die Seekarte einzuzeichnen oder in das Logbuch einzutragen. Im oberen Teil des Brettes ist eine Kompassrose eingelassen, im unteren sind Leertabellen mit Sternzeichen angebracht. Dazu hat man in die Kompassrose 16 mal 8, also insgesamt 128 Löcher, gebohrt, in die sich Kordeln einstecken lassen. Das geschah nach jedem Glas, also einer halben Stunde. Zusätzlich hatten die Nautiker noch die Geschwindigkeit zu ermitteln, um der folgenden Brückenwache den korrekten Kurs und den Standort mitteilen zu können.

Das vierte Exponat hat Dr. Schnall aus den USA bei einem Antiquitätenhändler erstehen können, und das Museum bezahlte es aus seinem schmalen Etat selbst: einen prachtvollen maritimen Taschenkompass aus Messing, der Ende des 18. Jahrhunderts in einer niederländischen Werkstatt entstanden ist. Die Dose von knapp sieben Zentimetern Durchmesser enthält eine reich illustrierte Kompass-Scheibe. Die Dose selbst weist ebenfalls außergewöhnliche Verzierungen auf. Zu sehen sind ein Porträt von Moritz von Nassau, die Wappen der sieben niederländischen Provinzen und ein weiteres großes Wappen. Das fraglos teure Herstellungsverfahren läßt Dr. Schnall darauf schließen, dass nur hochgestellte Kapitäne, Offiziere oder Reeder sich ein solches Instrument leisten konnten.

Hinweis: Die Veröffentlichung des Info-Service ist kostenfrei. Wir bitten jedoch bei Druckmedien um Übersendung eines Belegexemplars.


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