Presse-Info-Service
Info Nr. 09/10 vom 30.08.2010 |
Hanns Tschira gehört, was
Qualität und
Umfang seines Werkes angeht, zur ersten Garde der Bordfotografen, die
ab dem Ende des 19. Jahrhunderts die Meere der Welt durchkreuzten.
Während seiner Seefahrtszeit von 1927 bis 1939 belichtete er mit
einer Plattenkamera und Leica-Kleinbildkameras mehr als 55.000
Negative, die heute im Archiv des Deutschen Schiffahrtsmuseums (DSM)
gehütet werden. Sie zeigen die Schiffe und ihre Besatzungen, das
mondäne Leben der Passagiere auf den Ozeanriesen, Impressionen von
der Fahrt über See, von Küsten und Häfen in
eindrucksvollen Bildern.
Geboren wurde Hanns
Theodor Tschira am 17. August 1899 im elsässischen
Mühlhausen. Vater Carl Tschira führte den Titel eines
großherzoglich-badischen Hoffotografen, und so ist es kein
Wunder, dass auch der junge Hanns bereits im Alter von fünf Jahren
eine erste „Plattenbox“ sein Eigen nennen durfte. Schon 1915
übernahm Tschira den väterlichen Betrieb und verdiente fortan
sein Geld zunächst als Porträt- und Pressefotograf. 1927
entschloss er sich dann, als selbständiger Bordfotograf zu
arbeiten.
Auf Schiffen des 1857 in Bremen gegründeten Norddeutschen Lloyd
fuhr Tschira zunächst in drei- bis viermonatigen Reisen nach
Ostasien. Ab etwa 1930 wurde die Transatlantikfahrt an Bord des
Passagierdampfers COLUMBUS und des Turbinenschiffes BREMEN sein
wichtigstes Einsatzgebiet. Mehr als 150 Mal reiste Tschira auf diesen
berühmten Luxuslinern über den „großen Teich“ von
Bremerhaven nach New York, nahm aber in den Wintermonaten auch an deren
Kreuzreisen teil. Dutzende Male ging es nach Westindien und in das
Mittelmeer, zu den Atlantischen und Britischen Inseln, nach Norwegen
und in die Ostsee.
An Bord fotografierte Tschira nicht nur die Passagiere und verkaufte
diesen anschließend bleibende Erinnerungen an ihre Reisen,
sondern schuf darüber hinaus ein riesiges Archiv, das auch die
besuchten Häfen und Landschaften sowie Impressionen vom Reisen auf
See einfing. Häufig porträtierte er Besatzungsmitglieder in
ihren Funktionen an Bord. Mehrfach standen ihm für Aufnahmeserien
zur Passagierschifffahrt auch Models zur Verfügung, mit denen er
vor allem die vom Luxus geprägte Atmosphäre der I. Klasse in
den Kabinen und Gesellschaftsräumen der großen
Fahrgastschiffe einfing. Diese Motive wurden von der Reederei für
die Gestaltung ihrer Kundenzeitschrift, Reiseprospekte, Fahrpläne
und Speisekarten eingesetzt, aber auch von Zeitschriften- und
Buchverlagen angekauft und genutzt.
Der Beginn des Zweiten Weltkrieges brachte für Tschira das Ende
seiner Seefahrtszeit. Seine Familie verlegte ihren Wohnsitz
zunächst von Bremen nach Berlin und dann in das niederschlesische
Dorf Lübchen. Die Flucht von dort nach Westen im Januar 1945
dokumentierte Tschira ebenfalls in eindrucksvollen Bildern. 1946
richtete Tschira in Baden-Baden ein Büro für Pressefotografie
ein, an das er 1950 ein Porträtatelier angliederte. Zugleich
engagierte er sich in der Werbe- und Reportagefotografie sowie als
Hausfotograf des städtischen Theaters. Sein Wunsch, noch einmal an
Bord auf große Fahrt zu gehen, erfüllte sich allerdings
nicht mehr. Am 23. August 1957 verstarb der Fotograf im Alter von 58
Jahren.
Klaus-Peter Kiedel
Eine Million Seemeilen
Mit dem Bordfotografen Hanns Tschira
über die Meere der Welt 1927–1939
(Schriften des Deutschen Schiffahrtsmuseums, Bd. 81; Schifffahrt und
Fotografie, Bd. 1)
Wiefelstede: Oceanum Verlag 2010
96 Seiten, über 80 großformatige Duplex-Abbildungen,
Hardcover, gebunden, 27 x 24 cm
ISBN 978-3-86927-081-4 • EUR 19,90