Deutsches Schiffahrtsmuseum

Presse-Info-Service

Info Nr. 12/98 vom 30.06.1998

Das Meisterstück eines Hobbykonstrukteurs: Passagierschiff MONTE ROSA aus Karton

Bislang umfangreichster und aufwendigster Modellbaubogen des Deutschen Schiffahrtsmuseums- Ferner neu erschienen: Bogen von der Bremerhavener Doppelschleuse und ein achtseitiger Katalog

Die Liebe zu den "Schiffen aus Papier" erwachte früh: Henning Budelmann war gerade acht Jahre alt, als er aus einem der handelsüblichen Baubogen sein erstes Kartonmodell fertigte. Wenig später, nach einer Helgoland-Reise, ruhte und rastete er nicht eher, bis er eine selbstgebaute Flotte von Seebäderschiffen um sich versammelt hatte. Gleich nach dem Studium - Henning Budelmann ist promovierter Stadtplaner - packte ihn die Passion erst so richtig. Immer, wenn er sich vom Berufsstreß erholen wollte, beschäftigte er sich mit der Konstruktion und dem Bau von Kartonmodellen. Gerade in diesem Frühjahr hat Budelmann als Konstrukteur sein Meisterstück vorgelegt - den "Modellbaubogen der Extraklasse" (Passat-Verlag) des Passagier- und Auswandererschiffes MONTE ROSA der berühmten Reederei Hamburg-Süd.

Daß er sich für dieses Schiff entschied, hat seine besondere Bewandtnis: Sein Großonkel hatte an der Ausstattung der Schiffe gerade dieser Reederei entscheidend mitgewirkt, auch bei der Monte-Klasse. Sein Vorbild hatte Budelmann vor Augen, als er auch alternativ den Beruf eines Schiffbauingenieurs ins Kalkül zog. Er entschied sich aber dann doch dafür, Städtebau zu studieren.

"Der Budelmannsche Bogen stellt an den Kartonmodellbauer hohe Ansprüche" beurteilt Dr. Siegfried Stölting, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Schiffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven und als Museumspädagoge von Beginn an für den Bereich Kartonmodellbau zuständig, das erste Gemeinschaftsobjekt des Passat-Verlages und des Deutschen Schiffahrtsmuseums. Übrigens hat das DSM auch schon mit anderen Partnern wie Museen bei der Herausgabe von Modellbaubogen zusammengearbeitet und ist in Zukunft auch für weitere Kooperationen offen.

Der MONTE ROSA -Bogen ist in einer limitierten Auflage von 2.000 Exemplaren erschienen und umfaßt mit der Bauanleitung insgesamt 20 DIN A 4-Bögen, von denen einige auch sogenannte Wahlteile enthalten. Der Modellbauer hat somit die Möglichkeit, sich nach dem eingeplanten Zeitaufwand und vorhandener Fertigkeit für eine einfache Lösung zu entscheiden oder aber für eine ausgefeilte, in der zum Beispiel die Türen und Fenster plastisch hervortreten. Bei soviel Finesse, wie sie Dr. Budelmann mit Unterstützung von Jürgen Quetting (Dortmund) entwickelt hat, ergibt sich wie von selbst, daß der MONTE ROSA -Bogen mit einem Preis von 35 DM der teuerste ist, den das Deutsche Schiffahrtsmuseum bislang auf den Markt gebracht hat. "Mit unserem Preisgefüge liegen wir aber immer noch wesentlich günstiger als die anderen Anbieter", rückt Dr. Stölting die Relationen zurecht.

Die MONTE ROSA (14.000 BRT), deren Kartonmodell im Maßstab 1 : 250 eine Länge von 63,9 Zentimetern hat, wurde als viertes und letztes Schiff der Monte-Klasse bei Blohm & Voss in Hamburg gebaut, Anfang 1931 in Dienst gestellt und erfüllte wie ihre drei Schwesterschiffe vor allem die Aufgabe, Auswanderer nach Südamerika, in jenen Jahren ein lockendes Ziel, zu bringen. Sie erreichte eine Dienstgeschwindigkeit von 14 Knoten und konnte 1.372 Passagiere in der Touristenklasse und 1.036 Zwischendeckpassagiere mitnehmen. Im Kriege lief die nach einem Minentreffer zum Lazarettschiff umgebaute MONTE ROSA ein weiteres Mal auf einen treibenden Sprengkörper. Das passierte im Februar 1945 vor Hela. Notdürftig repariert und mit provisorisch abgedichteten Lecks verließ das Schiff mit über 5.000 Flüchtlingen und Verwundeten an Bord Gotenhafen und erreichte mit einer Höchstfahrt von fünf Knoten glücklich Kopenhagen.

Danach wurde die MONTE ROSA den Engländern als Kriegsbeute zugesprochen. Als schneeweißer Truppentransporter EMPIRE WINDRUSH kreuzte das Schiff mit englischen Soldaten und ihren Familien über alle Weltmeere, bis es im März 1954 auf der Reise nach Yokohama nach einer Explosion im Maschinenraum und einem verheerenden Feuer sank.. Besatzung und Passagiere wurden bis auf vier Mann gerettet.

In den letzten Jahren hat das DSM auch Modellbaubogen von Hafenanlagen herausgebracht, aber noch nie einen, der einen so großen Gebietsausschnitt darstellt wie der soeben erschienene Bogen von der Bremerhavener Doppelschleuse. Sein Konstrukteur ist der Hamburger Rainer Braunschweig, der bereits den Nachbau der Weserfähre mit Anleger entworfen hat. Obwohl Braunschweig für die Doppelschleuse wieder den Maßstab 1 : 500 gewählt hat, nimmt das Modell eine Fläche in den Ausmaßen eines DIN A 2-Posters (vier DIN A 4-Briefbogen) ein.

Für das Arbeiten mit diesem Bogen hält Dr.Stölting ebenfalls ein wenig Erfahrung für wünschenswert. Seine Überlegung: Zur Anlage, von der vorerst nur ein nach einem Computerausdruck hergestelltes Probemodell gezeigt werden kann, gehören nicht allein die Hochbauten und die beiden Schleusenkammern, sondern auch der Vorhafen und zwei Fischdampfer, namenlose Typschiffe aus den dreißiger Jahren. Die Bremerhavener Doppelschleuse aus Karton nachzubauen bedeutet, heute bereits Geschichte vorwegzunehmen und im Modell festzuhalten: Dieses Bauwerk wird in wenigen Jahren nicht mehr vorhanden sein; eine neue große Schleuse, die es ersetzt und eine wesentlich höhere Kapazität erhält, befindet sich bereits im Bau.

Die Aktivitäten des Museums in Sachen Kartonmodellbau drücken sich nicht zuletzt auch darin aus, daß in diesem Jahr schon wieder ein erweiterter Katalog aufgelegt werden mußte, der erstmals acht Seiten umfaßt und fast alle Modelle im Bild zeigt. Der Förderverein Deutsches Schiffahrtsmuseum hat den Druck dieses Heftes ermöglicht. Es wird an Interessenten kostenlos abgegeben.

Hinweis: Die Veröffentlichung des Info-Service ist kostenfrei. Wir bitten jedoch bei Druckmedien um Übersendung eines Belegexemplars.


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