Deutsches Schiffahrtsmuseum

Presse-Info-Service

Info Nr. 03/99 vom 24.02.1999

Das schmucke Schiff brannte völlig aus, die Kunst für den Neubau blieb aber erhalten

Vor 60 Jahren vollzog sich das Schicksal der ersten "Stockholm" wenige Wochen vor dem Fertigstellungstermin auf ihrer italienischen Bauwerft. Hölzernes Figurenfries des schwedischen Bildhauers Robert Nilsson blieb wie durch ein Wunder erhalten und zählt heute zu den am meisten beachteten Ausstellungsstücken im Deutschen Schiffahrtsmuseum

Vor nunmehr sechzig Jahren, auf den Tag genau am 1. März 1939, wollte die Svenska Amerika Linjen, Göteborg, den neuen Stolz der schwedischen Handelsflotte, das für 1.350 Passagiere ausgelegte Motorschiff "Stockholm" (28.000 BRT) in Dienst stellen und danach auf seine Jungfernreise ausschicken. Es kam jedoch anders: Durch einen elektrischen Kurzschluß brach am 19. Dezember 1938 auf dem nahezu fertiggestellten Neubau ein Feuer aus. In zwei Tagen brannte die "Stockholm" am Ausrüstungspier ihrer Bauwerft, der C. R. dell' Adriatico in Italien, vollständig aus. Nutznießer dieses Brandes, wenn man das so sagen darf, wurde 34 Jahre später das Deutsche Schiffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven: Es konnte von einem Hamburger Wäschereibesitzer 1972 ein prächtiges, 18 Meter langes, holzgeschnitztes Relief erwerben, das der renommierte schwedische Bildhauer Robert Nilsson als Raumteiler für den Speisesaal der ersten Klasse geschaffen hatte. Es war zum Zeitpunkt des Brandes zum Glück unvollendet und deshalb noch nicht eingebaut.

Robert Nilsson (damals 43 Jahre alt) galt zu seiner Zeit als einer der bedeutendsten Künstler Schwedens. 1937 erregte er mit einem Relief, das als Thema den Eidschwur darstellte, im Pavillon seines Heimatlandes auf der internationalen Ausstellung in Paris starkes Aufsehen. Auf seinem Figurenfries für die "Stockholm" hat er - in Anlehnung an "Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen", die Selma Lagerlöf beschrieben hat - die Geschichte eines abenteuerlustigen jungen Landsmannes mit filigranen Bildern erzählt. Der Junge läßt seine Schulbücher an Land, reißt aus und fährt zur See. Er begegnet Schiffen und Booten der ganzen Welt - von der arabischen Dhau bis zum Eskimo-Kajak, von der chinesischen Dschunke bis zum Auslegerboot der Südsee, vom Rindenkanu der Indianer bis zum Rundboot vom Tigris. Er beobachtet die Seeleute und Bootsfahrer aller Herren Länder beim Fischfang und beim Frachtsegeln, auf der Jagd oder beim Tauchen nach Perlen. Nach der Heimkehr berichtet er seiner Braut dann, was er gesehen und erlebt hat.

Schon seit der Eröffnung des Deutschen Schiffahrtsmuseums im Herbst 1975 zieht das holzgeschnitzte Relief die Besucher an, als gingen von ihm magische Kräfte aus: Viele Betrachter können sich nur mühsam losreißen von dem in seinen Ausmaßen zwar großen, in Darstellungsform aber eher feingliedrig ausgearbeiteten Ausstellungsstück, das besonders blinden oder stark sehbehinderten Besuchern ganz neue Erlebnisse vermittelt: Sie dürfen das Relief abtasten.

In der Schiffahrtsgeschichte festgehalten dagegen ist, wie sich die Göteborger Reederei entschied, als ihre erste "Stockholm" ausgebrannt war und verschrottet werden mußte: Sie gab bei der gleichen italienischen Werft sogleich eine neue "Stockholm" in Auftrag. Der wie die Vorgängerin 205,60 Meter lange und 25,4 Meter breite und somit identische Nachbau sollte mit ebenfalls 1.350 Passagieren in drei Klassen im Liniendienst eingesetzt werden. Bei Kreuzfahrten war die Kapazität von vornherein auf 640 Passagiere und eine Klasse beschränkt. Die zweite "Stockholm" erhielt die weitgehend unzerstörte Maschinenanlage der ersten, dazu weitere Ausrüstungsgegenstände, die zum Zeitpunkt des Brandes noch nicht eingebaut gewesen waren. Das Nilssonsche Holzrelief war jedoch offensichtlich nicht darunter, zum Nutzen für das Museum, wie sich im nachhinein herausstellen sollte.

Auch bei diesem Auftrag war der Svenska Amerika Linjen kein Glück beschieden. Als die zweite "Stockholm" im Oktober 1941 und somit mitten im Krieg endlich fertiggestellt war, hatten die Schweden wegen der allgemeinen Situation in Europa vorläufig keine Verwendung für sie. Die italienische Regierung übernahm das Schiff und übergab es der "Italia" S. A. N. zur Bereederung. Der schmucke Neubau erhielt den Namen "Saubadia", beförderte aber keine gut zahlenden Passagiere, sondern - zum Truppentransporter umgerüstet - Soldaten nach den nordafrikanischen Kriegsschauplätzen.

Später wurde die "Saubadia" in Triest aufgelegt und diente seit dem 9. September 1943 nach der italienischen Kapitulation den Deutschen als Wohnschiff. Bei einem Angriff britischer Bomber am 6. Juli 1944 erhielt die Ex-"Stockholm" Bombentreffer, brannte wie das erste Schiff dieses Namens aus und sank. Erst 1949 wurde sie gehoben und endete, wie die Vorgängerin ein Jahrzehnt zuvor, jämmerlich auf einem Schrottplatz.

Erläuterungen zum "Stockholm"-Relief

Sonderführungen für alle Interessenten am 27. Februar

Das Schicksal der ersten "Stockholm", die vor nunmehr 60 Jahren, am 1. März 1939 in Dienst gestellt werden sollte, aber wenige Wochen vor dem Ablieferungstermin völlig ausbrannte, bietet dem Deutschen Schiffahrtsmuseum (DSM) aktuellen Anlaß für eine Sonderführung, zu der alle Interessenten eingeladen sind. Das 18 Meter lange Holzrelief, das für die "Stockholm" bestimmt war und der Brandkatastrophe nur entging, weil es noch nicht eingebaut war, erläutert am 27. Februar der Leiter der Abteilung "Schiffahrtsgeschichte im Industriezeitalter", Dr. Lars-Ulrich Scholl. Er interpretiert diese in doppelter Hinsicht große Arbeit des international renommierten schwedischen Bildhauers Robert Nilsson.

Besucherzahlen 1998 um 4 Prozent gestiegen

Das Deutsche Schiffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven registrierte im letzten Jahr eine Steigerung bei den Besucherzahlen um 4 Prozent gegenüber 1997. Insgesamt 214.431 Besucher passierten 1998 die Kasse; 1997 waren es noch 206.118 gewesen. Von dem Abschluß der Konservierungsarbeiten an der Bremer Hansekogge von 1380, die ab März 1999 aus ihrem Konservierungsbad langsam wieder auftaucht, und vom Ausstellungsaufbau im Erweiterungsgebäude, den die Besucher von der Galerie aus verfolgen können, erwartet das Museum weiteren Zuspruch.

Hinweis: Die Veröffentlichung des Info-Service ist kostenfrei. Wir bitten jedoch bei Druckmedien um Übersendung eines Belegexemplars.


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