Deutsches Schiffahrtsmuseum

Presse-Info-Service

Info Nr. 09/99 vom 28.06.1999

Zwei Perkussionspistolen erinnern an blutiges Landungsgefecht im Jahre 1856 an der Küste Marokkos

Vorbesitzer Louis Kapitzki gehörte zur Besatzung der in das Scharmützel verwickelten Dampfkorvette "Danzig" - Den Lebensabend in Bremerhaven verlebt

Die beiden französischen Perkussionspistolen aus der Zeit nach 1840 blinken und blitzen so hell, als sei aus ihnen niemals ein Schuß abgefeuert worden. Dennoch verbindet sich mit diesen kostbaren Waffen, die seit kurzem im Deutschen Schiffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven ausgestellt sind, die Erinnerung an ein kriegerisches Geschehen: Während eines verlustreichen Landungsgefechtes sollen Marinesoldaten der deutschen Radkorvette "Danzig" die Pistolen am 7. August 1856 bei Kap Tres Forcas an der afrikanischen Nordküste marokkanischen Riffpiraten abgenommen haben, die damals diese Gewässer unsicher machten: Sie überfielen Handelsschiffe brutal und schreckten auch vor Mord nicht zurück.

Historiker Dr. Lars Ulrich Scholl, der im DSM den Bereich Marinegeschichte bearbeitet, ist sich sicher, daß es sich nicht um die beiden bei Kap Tres Forcas erbeuteten Perkussionspistolen handelt. Er vermutet vielmehr, daß die Waffen, die 1861 in den Königlichen Manufakturen Mutzig und Tulle aufgearbeitet worden sind, erst später vom Vorbesitzer erworben worden sind und daß sie im Nachhinein den Ereignissen am Kap Tres Forcas zugeordnet wurden. Dafür sprechen handfeste Indizien, die sich aus den immer noch gut lesbaren Stempeln, Signaturen und Kontrollstempeln, aber auch aus Konstruktionsmerkmalen ableiten lassen. Dr. Scholl stellte fest, daß die beiden Perkussionspistolen von den Manufakturen, wie in Frankreich die staatlichen Waffenfabriken genannt werden, vornehmlich für die französische Kavallerie entwickelt und hergestellt wurden. Diese Truppe benutzte das Modell mit der Bezeichnung "M 1822 T bis" noch im deutsch-französischen Krieg 1870/71. Erst mit der Einführung des Revolvers M 1873 verschwanden Pistolen nach und nach aus den Waffenkammern.

So umstritten die Herkunft der französischen Waffen auch sein mag, so unumstößlich ist, daß derjenige, aus dessen Nachlaß sie stammen, an dem Scharmützel mit den marokkanischen Piraten am 7. August 1856 teilgenommen hat. Er hieß Benjamin Louis Kapitzki, wurde als Sohn eines Kaufmanns am 4. Juni 1831 in Danzig geboren, gehörte als Maschinisten-Maat I. Klasse zur Mannschaft der Korvette "Danzig", als sie im Mai des Jahres 1856 als Flaggschiff eines kleinen Geschwaders von Danzig zu einer Auslandsreise auslief, während der es zu dem Landungsgefecht kam. Kapitzki wurde am 16. Juli 1891 als Stabsingenieur der Kaiserlichen Marine pensioniert. Er starb am 10. Dezember 1900 in Bremerhaven und fand auf dem Bremerhavener Friedhof in Wulsdorf seine letzte Ruhestätte.

Der Oberbefehlshaber der preußischen Marine, Prinz Adalbert, leitete persönlich die Auslandsreise. Als einziges maschinenangetriebenes Schiff mußte die "Danzig" den Rest des Geschwaders, bestehend aus den Seglern "Thetis", "Amazone", "Mercur" und "Frauenlob", bei schlechtem Wetter zeitweise in Schlepp nehmen. Allein lief die "Danzig" dann Cherbourg an: Kaiser Napoleon III. hatte den Prinzen zur Besichtigung der neuen Hafenanlagen eingeladen.

Unterwegs kam es zwischen dem Admiral und dem Kommandanten der "Danzig", Korvettenkapitän Prinz Wilhelm von Hessen-Philippsthal-Barchfeld, zu Differenzen. Der Kommandant wurde beurlaubt und erhielt den Befehl, sich erst in Gibraltar wieder an Bord zurückzumelden.

Am 27. Juli 1856 entließ Prinz Adalbert die übrigen Schiffe, die Südamerika und die Kanarischen Inseln ansteuerten. Mit der "Danzig" dagegen wollte er ins Schwarze Meer gehen, um von dem Preußen im Pariser Frieden zugestandenen Recht Gebrauch zu machen, ein Kriegsschiff in der Donaumündung zu stationieren.

Als die Korvette die marokkanische Küste entlang fuhr, ließ der Admiral Kurs auf Kap Tres Forcas absetzen, das am frühen Morgen des 7. August in Sicht kam. Der Admiral wollte das Küstengewässer erkunden, in dem nordafrikanische Piraten vier Jahre zuvor, am 7. Dezember 1852, die preußische Brigg "Flora" geplündert, dabei den Kapitän Witt verletzt und einen Matrosen getötet hatten.

Als sich zwei Kutter, eine Gig und eine Jolle, auf zweieinhalb Kilometer dem Ufer genähert und die Küste erkundet hatten, besetzten zahlreiche Marokkaner die Höhen am Ufer und eröffneten ein heftiges Feuer, das die Preußen sofort erwiderten. Die "Danzig" ging bis auf 600 Meter an das Ufer heran und gab mit Granaten- und Kartätschenbeschuß den vier Booten bei ihrer Rückkehr Feuerschutz.

Der Prinz riskierte den Angriff. Er ließ ein Landungskorps aus allen 13 Offizieren, 30 Unteroffizieren und Matrosen sowie 23 Seesoldaten mit ihrem Offizier zusammenstellen. Das Kommando übernahm er selbst. In der Mittagsstunde ging die Truppe in einer Blitzaktion an Land, stürmte im stärksten feindlichen Feuer die 30 bis 40 Meter aufragende Bergwand empor und drängte die Eingeborenen auf der Hochfläche zurück. Als deren Anzahl jedoch zu einer erheblichen Übermacht wuchs und der Admiral fürchten mußte, daß sein Korps vom Ufer abgeschnitten werden könnte, befahl er den Rückzug. Sieben seiner Männer hatten den Tod gefunden, drei davon mußte man zurücklassen, weil sie im hohen Bewuchs nicht wiederzufinden waren. Zu den 22 Verwundeten zählte auch Prinz Adalbert: Er hatte einen Durchschuß des linken Oberschenkels erhalten.

Die vier Gefallenen erhielten in Gibraltar unter starker britischer Beteiligung ein feierliches Begräbnis. Die Marine spendete in den folgenden Jahren für ein Denkmal, das am 8. Januar 1863 auf dem Friedhof in Gibraltar enthüllt wurde. Es zeigt einen Adler auf einem Steinsockel.

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