Deutsches Schiffahrtsmuseum

Presse-Info-Service

Info Nr. 17/99 vom 06.10.1999

Spannender Bericht über einen Schiffbruch: Walfänger zerschellte 1859 vor Norwegens Küste

Zwei Männer fanden den Tod, die restliche Besatzung konnte sich retten DSM erwarb zwei Schiffstagebücher und die Schilderung des Seemannes Ladewig Hell von den dramatischen Ereignissen nahe der Stadt Bergen

Als ein Bremerhavener Rechtsanwalt und Notar vor einigen Monaten zur Feier seines 60. Geburtstages bat, äußerte er einen einzigen Wunsch: Die Geladenen sollten ihm nichts schenken, statt dessen aber freigebig für das Deutsche Schiffahrtsmuseum (DSM) spenden. Auf diese Weise kam eine stattliche Summe zusammen. Er selbst legte noch einmal kräftig drauf, und mit diesem überschüssigen Betrag erwarb das Museum kürzlich über einen Kunsthändler in Glückstadt, der als Vermittler auftrat, aus Privathand drei zusammengeheftete handschriftliche Tagebücher über den Robbenfang Mitte des 19. Jahrhunderts. Aus einer Inschrift geht hervor, daß sich die Dokumente früher einmal im Besitz von Wanda Oesau befunden haben, die in den dreißiger Jahren Bücher über den von Schleswig-Holstein ausgehenden Wal- und Robbenfang geschrieben hatte. Eines der drei Tagebücher enthält einen Bericht über den Schiffbruch des russischen Walfangschiffes "Comeet" am 5. März 1859, aufgezeichnet von einem Besatzungsmitglied, dem jungen deutschen Seemann Ladewig Hell.

Der hatte seine erste Grönlandfahrt 1854 hinter sich gebracht, unter "Kommandör" H. Mein auf dem Elmshorner Schiff "Flora", von dem das DSM nicht nur ein Modell besitzt und demnächst in der neuen Walfangabteilung vorzeigen kann, sondern nun auch - als eines der drei nun angekauften Tagebücher - Hells Schilderung der Geschehnisse Anfang März 1853 vor der norwegischen Küste nahe der Stadt Bergen. Das dritte Schiffstagebuch betrifft wiederum einen Walfänger namens "Flora", der allerdings in Glückstadt beheimatet und gut drei Jahrzehnte älter war; die geschilderten Reisen fanden 1820 und 1821 statt.

Auf der jüngeren, der Elmshorner "Flora" nahm Ladewig Hell zwischen 1854 und 1857 an insgesamt fünf Grönlandfahrten teil. Später heuerte er nacheinander auf den Handelsseglern "Friederike Magdalena" und "Anna" an. 1859 wollte er wieder Abenteuer, Glück und wohl auch guten Verdienst bei der Jagd nach Walen suchen. Er reiste mit dem englischen Dampfschiff "Jon Boll" nach London und verdingte sich auf dem russischen Grönlandfahrer "Comeet" unter Kapitän J. Boos, den er von seiner Zeit auf der "Friederike Magdalena" kannte.

Am 1. März 1859 verließ die "Comeet" London, noch bei gutem Wetter und günstigen Winden. Vier Tage später jedoch tobte ein heftiger Sturm über der Nordsee. Kapitän Boos war gezwungen, die Segelfläche mehr und mehr verkleinern zu lassen. Mit dieser harten Arbeit verging die Nacht vom 5. auf den 6. März. "Unser Wachtsvolk legte sich Morgens um 4 Uhr zur Koje, um der ersehnten Ruhe zu genießen", schrieb Ladewig Hell auf. Aus dem Schlaf wurde nichts. Schon eine halbe Stunde später schreckte der Ruf des wachhabenden Offiziers die erschöpften Männer aus den Kojen. Kaum hatten sie das "Zeug übers Leib", als Kapitän Boos brüllte: "An Deck, Leute, an Deck! Wir haben Land in Lee." Im nächsten Augenblick stieß das Schiff mit voller Wucht gegen eine Klippe und wurde gleich darauf noch zweimal gegen den Felsen geschleudert.

Als der Morgen graute, sahen die Männer vor sich die norwegische Küste, aber sie erkannten auch, daß ihr Schiff zwar fürs erste wieder freigekommen war, sich aber nicht mehr wenden ließ und auch ein Ankern aus Zeitgründen nicht möglich war. Wenigstens schafften sie es, die Boote loszumachen. Dann jedoch spitzte sich die Lage zu: "Unser Schiff lief mit einer hohen See gegen eine Klippe u. senkte sich dort ohne harte Stöße auf den Grund nieder."

Der Versuch, sich vom Klüverbaum mittels eines Taues auf die darunter liegende Felsplatte hinabzulassen, mißlang denen, die es versuchten. Andere hatten mehr Glück: Sie kamen mit einem Boot vom Schiff frei und erreichten nach einiger Zeit mit viel Mühe eine sichere Bucht. Gerettet.

Immer wieder stieß die "Comeet" gegen die Felsen in Lee. Der Klüverbaum brach, danach das Bugspriet. Schließlich schlug auch das Heck herum und zerschellte an einem zerbröckelten Felsen. Die Situation wurde von Minute zu Minute bedrohlicher. Einige sprangen von der Fockrahe auf einen Felsen, aber einer der Männer verfehlte das Ziel, und die anderen mußten hilflos zusehen, wie er ertrank. Die restlichen Besatzungsmitglieder versuchten ihr Heil mit einem Sprung vom Achterschiff auf eine Felsenplatte. Wieder wurde ein Seemann von der See zurückgerissen. Er hielt sich zwar noch an einem Bootsriemen fest, und Ladewig Hell warf ihm ein Tau über den Rücken. In dem Augenblick jedoch, als er das Tau erfaßte, schlug das Schiff gegen den Felsen und zerschmetterte das Boot, an dem der Unglückliche hing, und den Mann selbst. "So fand auch dieser Mensch hier unter der Klippe Ole Olsen Dijrö sein nasses Grab ...."

Die Geretteten erholten sich zunächst in einer Fischerhütte und traten am nächsten Tag den Weg nach Bergen an, zu Fuß und auch mit Booten. Der deutsche Konsul verschaffte ihnen Quartier. Neun Tage mußten sie noch ausharren, weil kein Schiff ging, ehe der norwegische Dampfer "Nordstirnen" sie mitnahm und die Schiffbrüchigen nach weiteren drei Tagen - und mit diesen Worten schloß Ladewig Hell seinen Bericht - "daß längst ersehnte Vaterland glücklich erreichten".

Hinweis: Die Veröffentlichung des Info-Service ist kostenfrei. Wir bitten jedoch bei Druckmedien um Übersendung eines Belegexemplars.


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