Deutsches Schiffahrtsmuseum

Regional-Presse-Info

Regionalinfo 15/98 vom 20.10.1998

Die Arroganz einiger Bremer Kapitäne reizte jungen Offizier häufig zum Widerspruch

Juwel der Seefahrtsliteratur aus Kempowski-Tagebuch-Archiv vom DSM erstmals publiziert - Präsentation und Lesung der Erinnerungen des Seemanns Oscar Schulz am 29. Oktober im Bremer Schütting

Das Manuskript, welches die in Italien lebende Kapitänstochter Käthe Raufeisen dem Schriftsteller Walter Kempowski vor einigen Jahren zur Aufnahme in sein Archiv sandte, enthielt die Aufzeichnungen ihres Vaters Oscar Schulz (1875-1940) über seine Seefahrtszeit in den Jahren 1891 - 1901. Auf Umwegen gelangten sie auf den Schreibtisch der Historikerin und Mitarbeiterin des Deutschen Schiffahrtsmuseums Ursula Feldkamp, die sie nun in ihrer Buchreihe herausgab.

Die als schiffahrtshistorische Quelle und Zeitdokument höchst aufschlußreichen Erinnerungen Oscar Schulz' mit dem Titel "Im Strom der Gezeiten - vom Windjammer-Moses zum Dampferkapitän" werden am 29. Oktober 1998, 19 Uhr, im Börsensaal des Bremer Schütting vorgestellt.

Was an den Aufzeichnungen besonders bemerkenswert ist: Sie umfassen einerseits lediglich einen Zeitraum von zehn Jahren von 1891 bis 1901, sagen andererseits dennoch viel über die soziale Situation und den technischen Wandel in der Seefahrt aus. Oscar Ludwig Schulz war gerade einmal 16 Jahre alt, als er 1891 seine Heimatstadt Essen an der Ruhr verließ, um in Hamburg als Schiffsjunge auf einem Segelschiff anzuheuern. Auf seiner ersten Reise nach Rangoon taten Kapitän und Mannschaft der Bark "Lilla" alles Erdenkliche, um ihrem Moses Oscar "Schmerzensreich" die Liebe zur Seefahrt gründlich auszutreiben. Obwohl er auch später als Matrose und Offizier immer wieder aneckte, nicht nur weil er, wie er selbst zugab, ziemlich dickköpfig sein konnte, sondern auch weil er einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit besaß, hielt er durch. Als er 1901 und somit erst 26jährig seine seemännische Laufbahn beendete, hatte er es bereits bis zum Kapitän des Krupp-Frachters ORCONERA gebracht.

Zehn Jahre später schrieb Oscar Schulz, inzwischen erfolgreicher Kaufmann, seine Erinnerungen nieder. Selbstkritisch, aber auch nicht geschönt, wenn er die unterschiedlichen Gepflogenheiten von Kapitänen und Reedereien schilderte. Er hatte in den zehn Jahren auf fünf Seglern und zwölf Dampfschiffen gefahren. Beim Vergleich des Bordklimas auf Hamburger und Bremer Schiffen schnitten die von der Weser schlecht ab. Die Arroganz einiger Bremer Kapitäne reizte den impulsiven und gleichermaßen sensiblen Seemann und Offizier zum Widerspruch. Sein häufiges Aufbegehren vereitelte dem sonst als tüchtig angesehenen Offizier die angestrebte Karriere als Kapitän auf Passagierschiffen des Norddeutschen Lloyd.

Das jetzt im Hamburger Kabel Verlag erschienene Buch erhält auch in anderer Hinsicht hohe Bedeutung für Seefahrtshistoriker: Oscar Schulz hat bis ins Detail hinein exakt den technischen Wandel dokumentiert, wie er ihn erfahren hat, und dem Leser auf anschauliche Weise seine Arbeitsbereiche und Arbeitsmittel beschrieben, auf Segel- als auch auf den damals modernen Passagierschiffen, mit denen eine neue Zeit begann.

Der Eintritt zu der Buchpräsentation und Lesung im Bremer Schütting, die von der Buchhandlung Geist, der Handwerkskammer Bremen und dem Deutschen Schiffahrtsmuseum gemeinsam veranstaltet werden, ist frei.

Hinweis: Die Veröffentlichung des Info-Service ist kostenfrei. Wir bitten jedoch bei Druckmedien um Übersendung eines Belegexemplars.


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