Deutsches Schiffahrtsmuseum

Regional-Presse-Info

Regionalinfo 02/99 vom 12.03.1999

Das Wunder vom Firth of Forth: "Moltke"-Wrack schoß in letzter Sekunde am Brückenpfeiler vorbei

Bergungsschlepper "Seefalke" im Mittelpunkt einer Sonderausstellung über die "Geburtstagskinder" der Oldtimer-Flotte des Deutschen Schiffahrtsmuseums

Eigentlich hätte das Deutsche Schiffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven allen Grund, bis Dezember seine Oldtimer-Flotte im Museumshafen über die Toppen beflaggt zu halten: Die fünf größten Museumsschiffe haben in diesem Jahr einen runden Geburtstag. Das Feuerschiff "Elbe 3", dessen roter Rumpf die Blicke der Besucher und Passanten auf sich zieht, wird 90, die einzige in Europa erhalten gebliebene hölzerne Bark, die "Seute Deern", ebenfalls ein Publikumsmagnet, 80, das Walfangschiff "Rau IX" 60 und das Schnellboot "Kranich" 40 Jahre alt. Für den Hochsee-Bergungsschlepper "Seefalke" aber steht ein reguläres Jubiläum an: Er wurde am 11. November 1924 und somit vor 75 Jahren von der Bauwerft Johann C. Tecklenborg in Geestemünde an die Reederei W. Schuchmann abgeliefert. Schon drei Wochen später lief "Seefalke" von der Station Cuxhaven zu seinem ersten Einsatz aus: Der amerikanische Fracht-, Passagier- und Postdampfer "Minnekahda" saß in der Niederelbe auf einer Sandbank fest.

Um die fünf Geburtstage das Jahr über gebührend feiern und die "Jubilare" mit ihren "Lebensläufen" den Besuchern vorstellen zu können, hat das DSM jetzt eine Fotoausstellung kreiert, die seit heute (12. März 1999) zu besichtigen ist. Erstaunlich ist, was dabei die DSM-Fotowerkstatt wieder einmal aus kleinen und kleinsten Amateurbildern in der Reproduktion herausgeholt hat. Die ansprechende grafische Gestaltung der Ausstellung lag wieder in den bewährten Händen des Archivmitarbeiters Reinhold Breden. Ohne daß die anderen vier "Geburtstagskinder" zu kurz kommen: Allein acht der 16 Großrahmen sind mit Fotos vom "Seefalken" angefüllt, nicht nur wegen seines Jubiläums, sondern weil seine Historie weitaus mehr an spannenden Ereignissen enthält als die jedes "normalen" Schiffes. Der Schlepper war eben ausschließlich dafür konstruiert, ausgerüstet und mit entsprechender Motorleistung (für den Stand der Technik vor 75 Jahren stolze 2.400 PS) bestückt, daß er jederzeit in der Lage war, Hilfe zu leisten, wenn sich in erreichbarer Entfernung eine Schiffskatastrophe anbahnte und damit die Chance bestand, zu helfen und natürlich auch einen fetten Bergerlohn zu kassieren. Groß ist die Zahl der Schiffe, die der "Seefalke" rettete. Aber auch viele Seeleute verdanken ihm ihr Überleben.

Die Bugsier- und Bergungs-Reederei von Schuchmann ließ ihren Kraftprotz dort auf Lauer liegen, wo am ehesten die Chance bestand, daß er Aufträge erhalten würde: in Dover ebenso wie in La Coruna, im Hafen von Las Palmas wie in Tanger und Casablanca. Einmal barg der "Seefalke" auf dem Atlantik einen halben Tanker und brachte ihn sicher in den Hafen, selbstverständlich nur noch zu einem Abwrackbetrieb.

Seine spektakulärste Schleppfahrt aber legte der "Seefalke" im Jahre 1928 zurück: Im Auftrage eines britischen Abwrackunternehmens brachte er den kieloben und auf Preßluft schwimmenden Schlachtkreuzer "Moltke" von Scapa Flow, dem Schiffsfriedhof der deutschen Hochseeflotte, durch die meist unruhige nördliche Nordsee nach Rosyth in Schottland. "Moltke" gehörte zu jenen 74 internierten deutschen Kriegsschiffen, deren Selbstversenkung Konteradmiral Ludwig von Reuter am 21. Juli 1919 angeordnet hatte, weil er einen Handstreich der Briten befürchtete. Nun, neun Jahre später, sollten die Wracks endlich aus Scapa Flow verschwinden.

Der Chef des britischen Abwrackunternehmens hatte die Bergung des Schlachtkreuzers persönlich geleitet und den anfangs skeptischen "Seefalke"-Kapitän Peter Eckhoff beruhigt: Wegen der Aufbauten der "Moltke" brauche sich der Deutsche keine Sorgen zu machen, er habe bei den Vorbereitungs-arbeiten Masten und Schornsteine absprengen lassen. Den gepanzerten Kommandostand schließlich habe man kurzerhand an einer geeigneten Felsnase in den Rumpf hineingedrückt.

Eckhoff und seine Steuerleute stellten bei einer Besichtigung des außergewöhnlichen Schleppobjektes vom Motorboot aus fest, daß sein "Seefalke" als Kopfschlepper mit seinem Trossengeschirr nur an der Kielhacke und an den Propellerblöcken anpacken konnte. Das bedeutete: Der 23.000 Tonnen schwere Schlachtkreuzer mußte nicht nur kieloben, sondern auch noch rückwärts geschleppt werden.

Die Überfahrt begann. Der "Seefalke" zog, zwei englische Schlepper assistierten beidseits vom Wrack, dessen Schiffsboden zum Oberdeck geworden war, und darauf stand neben der Kompressorstation eine Baracke für die Überführungscrew. Als schlechtes Wetter und in seinem Gefolge schwere See aufkamen, begann das "Moltke"-Wrack derart zu tanzen, daß die Männer in der Baracke bald seekrank darniederlagen. Dennoch ging bis Firth of Forth alles gut. Als der Schleppzug sich jedoch der weltbekannten Eisenbahnbrücke näherte, war zum Ärger Eckhoffs das Schwimmdock zum Anheben des Wracks noch nicht klar. Der Kapitän mußte daher versuchen, den Schleppzug vor Anker zu legen. Der auflaufende Gezeitenstrom erfaßte jedoch den Schlachtkreuzer mit derartiger Wucht, daß die Anker nicht hielten: Der Zug trieb auf die große Brücke zu. Sofort ließ der Kapitän die drei Schlepper loswerfen.

Was nun geschah, erschien den Bergern anfangs wie ein Wunder. Zunächst trieb der Schlachtkreuzer zielgenau auf einen Pfeiler zu, unaufhaltsam, wie es schien. Plötzlich jedoch schwang "Moltke" zurück und schoß zwischen den beiden nördlichen Pfeilern hindurch. Das "Wunder" fand später eine ganz rationale Erklärung: Einer der schweren 28-Zentimeter-Geschütztürme hatte sich am Meeresgrund festgehakt und so in allerletzter Sekunde die Kursänderung ausgelöst.

Der Rest war Routine. "Seefalke" und seine Assistenten fingen den Ausreißer wieder ein und brachten ihn sicher nach Rosyth.

Der Kümo-Käpt'n berichtet auf platt

Leben und Arbeiten an Bord von Küstenschiffen beschäftigt die maritime Wissenschaft - Vortragsveranstaltung am 23. März im Club zu Bremen

Der Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis, von der einen Seite auf Hochdeutsch, von der anderen, wie es auf See üblich ist, auf Plattdeutsch geführt, machen den Reiz einer Veranstaltung aus, zu der das Deutsche Schiffahrtsmuseum (DSM) und die Bremer Buchhandlung Geist für Dienstag, 23. März 1999, 19 Uhr, in den Club zu Bremen hinter dem Schütting einladen. Beide, der Historiker Klaus-Peter Kiedel und der Praktiker Kapitän Wilhelm Hausmann, berichten über "Leben und Arbeiten an Bord von Küstenschiffen".

Kiedel, Archivleiter am Deutschen Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven und Mitbegründer des -dänisch-deutschen Arbeitskreises Küstenschiffahrt im 20. Jahrhundert, hat über den Alltag in der deutschen Küstenschiffahrt umfangreiche Forschungen betrieben. Er nahm nicht nur an Reisen teil, sondern interviewte auch Seeleute, unter ihnen Kapitän Wilhelm Hausmann, dessen Biographie er sorgsam nachzeichnete. Insgesamt 22 Lebensbilder von Seeleuten enthält sein Buch "Küstenschiffer. Alltag auf Motorseglern, Kümos und Containerfeedern", das im Kabel Verlag Hamburg erschienen ist. Darüber hinaus war Kiedel als Redakteur maßgeblich an der Herausgabe des dreisprachigen Bandes "Unter Land und über See" beteiligt, ein erstes, vielbeachtetes Ergebnis der Forschungsaktivitäten des dänisch-deutschen und inzwischen auf andere Länder erweiterten Arbeitskreises "Küstenschiffahrt im 20. Jahrhundert".

Seinen Vortrag im Club zu Bremen bereichert Kiedel mit einer ganzen Reihe von Lichtbildern, die er, als Fotograf auf Schwarzweißaufnahmen spezialisiert, zum großen Teil selbst aufgenommen hat. Kapitän Hausmann beschränkt sich auf einen vierjährigen Abschnitt: Er erzählt Erlebnisse und Anekdoten aus seiner Fahrenszeit von 1940 bis 1943 als Junge und Matrose auf dem Frachtlogger "Marie".

Der Eintritt zu der Vortragsveranstaltung ist frei.

Hinweis: Die Veröffentlichung des Info-Service ist kostenfrei. Wir bitten jedoch bei Druckmedien um Übersendung eines Belegexemplars.


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