Deutsches Schiffahrtsmuseum

Presse-Info-Service

Info Nr. 01/01 vom 15.01.2001

Bereits vor 113 Jahren Erdöl "in bulk" auf dem Rhein transportiert

Rheinschiffer Fendel ließ 1887 in seinen Schleppkahn "Carolina" lose Tanks einbauen - DSM-Wissenschaftler Ingo Heidbrink schloss mit seiner Arbeit "Deutsche Binnentankschiffahrt" eine weitere Lücke in der Schifffahrtsgeschichte

Der risikobereite Pionier des größten Spezialbereiches innerhalb des Verkehrssystems Binnenschifffahrt in Deutschland hat einen Namen: Joseph Konrad Fendel. Der Rheinschiffer ließ 1887, nachdem er sich verpflichtet hatte, jährlich mindestens 50.000 Barrel Petroleum von den Rheinmündungshäfen nach Mannheim zu transportieren, eines seiner vier Schiffe, den Schleppkahn "Carolina", zum ersten Binnentanker überhaupt umbauen. Über die "Deutsche Binnentankschiffahrt 1887 - 1994" hat Dr. Ingo Heidbrink nun ein grundlegendes Werk zu einem Sachgebiet vorgelegt, dessen sich vordem weder ein Schifffahrtsmuseum mit Forschungsauftrag noch eine sonstige wissenschaftliche Einrichtung in Deutschland angenommen hat. Somit hat der junge Wirtschafts- und Sozialhistoriker, der am Deutschen Schiffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven den Forschungs- und Ausstellungsbereich "Geschichte der deutschen Hochseefischerei" betreut und derzeit als Fellow des Hanse Wissenschaftskollegs an einem Forschungsprojekt der Universität Bremen beteiligt ist, mit diesem 206 Seiten starken, reich bebilderten und umfassend dokumentierten Band ein Kapitel geschrieben, ohne das die deutsche Schifffahrtsgeschichte unvollständig geblieben wäre.

Rheinschiffer Fendel folgte damals dem Vorbild der seit 1880 im Aufwind befindlichen Seetankschifffahrt, die verstärkt auf das Prinzip "Erdöltransport in bulk" setzte, und ließ in den Schleppkahn lose Tanks einbauen. Die ersten Ölladungen aus den USA, anfangs noch in Fässern, waren bereits 1861 in den deutschen Häfen Hamburg und Geestemünde eingetroffen, die Wilhelm Anton Riedemann als Umschlagplätze für den Aufbau seines Petroleumhandels dienten. Weil die Petroleumklipper wegen der großen Stauverluste bei den Fässern nur mit halbem Ladungsgewicht die Reise über den Atlantik zurücklegen konnten, ließ Riedemann sein Segelschiff "Andromeda" zu einem Tanksegler umbauen, der 13.700 Barrel Öl "in bulk", das heißt als Massengut, fasste und sich schnell als wirtschaftlich sehr erfolgreich erwies. Nur zwei Jahre später nahm Fendel diese Idee auf - wenngleich in kleinerem Maßstab.

Eine rasante Aufwärtsentwicklung war eingeleitet, die sich parallel zum Siegeszug des Erdöls in der Industriegesellschaft vollzog. Zunächst war es nur die "Carolina", die für den Mannheimer Auftraggeber Philipp Poth Petroleum von Vlissingen und Rotterdam nach Mannheim brachte. Bald folgten andere Binnenschiffer diesem Beispiel. Nicht nur auf dem Rhein, auch auf der Donau, auf der Elbe und in anderen Stromgebieten bildeten vorüberfahrende Binnentankschiffe damals schon einen alltäglichen Anblick. Eine Sondersituation ergab sich für die Aller. In den Jahren vor der Jahrhundertwende bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges transportierten Binnentankschiffe in Konkurrenz zu den bestehenden Verkehrsträgern Straße (zu dieser Zeit noch mittels Pferdefahrzeugen) und Schiene Erdöl vom einstigen Fördergebiet Wietze zu den Raffinerien in Norddeutschland. Heute ist die Tankschifffahrt mit einem Anteil von 20 Prozent am Gesamtfrachtraum der größte Teilbereich innerhalb der deutschen Binnenschifffahrt und darüber hinaus längst ein unverzichtbarer Bestandteil der Mineralölwirtschaft.

Dieser Spezialschifffahrtsbereich wurde und wird wie kein anderer von einem einzigen Ladungsgut, von dessen konjunkturellen Schwankungen und besonderem Gefahrenpotenzial beeinflusst. Ingo Heidbrink zeigt in seiner Geschichte der deutschen Binnentankschifffahrt sowohl die technischen als auch die wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen auf, widmet sich den speziellen Bedingungen des Gefahrengütertransports, auch den spektakulären Havarien und den daraus entwickelten Sicherheitsvorschriften sowie den Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord. Sogar fast vergessene Wasserstraßen, die für die Entwicklung des Industriestandortes Deutschland von hoher Bedeutung waren, werden dargestellt.

Ingo Heidbrinks Standardwerk "Deutsche Binnentankschiffahrt" ist als Band 51 der Schriften des Deutschen Schiffahrtsmuseums (DSM) im Hamburger Convent-Verlag erschienen und für DM 98,- im DSM-Museumsshop und im Buchhandel erhältlich.

Hinweis: Die Veröffentlichung des Info-Service ist kostenfrei. Wir bitten jedoch bei Druckmedien um Übersendung eines Belegexemplars.


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