Deutsches Schiffahrtsmuseum

Presse-Info-Service

Info Nr. 01/98 vom 23.01.1998

Schon als Kind wollte er Maler und Seemann werden

Querschnitt aus dem maritimen Schaffen Egbert Patzigs vom 31. Januar bis 19. April im Deutschen Schiffahrtsmuseum - Ein auf vielen Ausstellungen vertretener und mit Ehrungen überhäufter Künstler

Daß es ausgerechnet aus dem Gebirgsland Bayern viele junge Leute in die christliche Seefahrt gedrängt hat und womöglich immer noch drängt, ist bekannt. Der aus Gräfelfing bei München gebürtige Egbert Patzig (1909 bis 1988) gehörte zu ihnen. Aber er fühlte sich noch aus einem weiteren inneren Antrieb, aus seiner ererbten Neigung zu künstlerischer Betätigung, zur See hingezogen: Schon als Junge wollte er Maler, dezidiert: "Marinemaler", werden. Er wurde es, und was für einer: ein in späteren Jahren von der Kritik hochgelobter und mit Ehrungen überhäufter Künstler. Ein Ausschnitt aus dem maritimen Teil seines Lebenswerkes ist vom 31. Januar bis 19. April 1998 im Deutschen Schiffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven zu sehen und zu bewundern.

Anfangs hatte der Lebensweg von Egbert Patzig unter einem ungünstigen Stern gestanden. Als der Vater, ein Apotheker, der sich später "Ingenieurchemiker" nannte, nach Ende des Ersten Weltkrieges seine Stellung als Leiter eines Labors zur Herstellung künstlicher Treibstoffe verlor, flüchtete er auf Nimmerwiedersehen ins Ausland und ließ seine Familie mittellos und mit einem Berg Schulden zurück. Die Mutter, sie stammte aus einer Wismarer Werftbesitzerfamilie, erhielt von der Verwandtschaft nur selten Hilfe und mußte es zulassen, daß ihre noch schulpflichtigen Kinder durch Gelegenheitsarbeiten zum Familienunterhalt beitrugen.

Ein harter Schicksalsschlag traf Egbert Patzig, als er, noch nicht zwanzigjährig, nach einem schweren Unfall, den er als Schiffszimmermannslehrling auf einer Starnberger Segelschiffswerft erlitten hatte, an Kinderlähmung erkrankte. Zurück blieben Behinderungen, die er bis ans Lebensende ertragen mußte: Beide Beine waren teilgelähmt, und auch die Hände waren betroffen. Erst Anfang 1930 war er wieder soweit hergestellt, daß er sich selbst versorgen konnte.

In dieser Situation tat Egbert Patzig etwas Erstaunliches: Er "floh" nach Italien und begann zunächst ein unstetes Wanderleben. Mal fuhr er auf kleinen hölzernen Segelschiffen, mal arbeitete er in der Landwirtschaft. Später fand er Unterkunft und sogar ein Behelfsatelier in einem florentinischen Gästehaus, danach betreute er Gäste einer Pension in San Michele an der ligurischen Küste. Jede freie Minute aber nutzte er zum Malen. Er war von Beginn an und blieb zeitlebens ein Autodidakt; Unterricht hatte er nur als Schüler an einer privaten Kunstschule in München erhalten.

Als Egbert Patzig in Italien keine Arbeit mehr fand und seine Ersparnisse zur Neige zu gehen drohten, erreichte ihn im rechten Augenblick eine Bitte aus Deutschland: Er sollte in Dievenow, einem Ostseebad am Stettiner Haff, beim Aufbau einer Pension behilflich sein. Bis zur Fertigstellung des Hauses "Kienappel" fuhr er zwischenzeitlich auf kleinen Handelsschiffen. Und er skizzierte und malte wie besessen - im Sommer an der Ostsee, im Winter in Rehbrücke bei Potsdam in einem kleinen Atelier.

Als er 1931 erstmals mit seinen Arbeiten auf einer Werkschau junger Künstler in Starnberg vertreten war, lenkte er sogleich die Aufmerksamkeit der Kunstwelt auf sich. Schon zwei Jahre später widmete die berühmte Berliner Galerie Gurlitt ihm eine Einzelausstellung, die in der anspruchsvollen Presse der damaligen "Reichshauptstadt" eine positive Resonanz fand. Fortan konnte Patzig vom Verkauf seiner Bilder gut leben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, der einen tiefen Einschnitt auch in Patzigs Karriere mit sich brachte, kehrte der Maler nach Süddeutschland zurück und entfaltete neue Aktivitäten. 1957 heiratete er die Ärztin Dr. Elga Volland aus Rehbrücke und zog mit ihr nach Reutlingen. "Für Patzig begann eine neue, intensive Schaffensperiode", schrieb seine Biographin Ulrike Förg. "Er braucht sich um den täglichen Lebensunterhalt nicht mehr zu sorgen und kann sich ganz seiner Malerei zuwenden."

Immer aufs neue lockte ihn das Wasser, der Lago Maggiore und der Comer See ebenso wie der Staffelsee und vor allem die Ost- und Nordsee. Er stellte in Deutschland aus, in der Schweiz, in Monte Carlo und New York. In Nizza verlieh man ihm eine Goldmedaille, in Biarritz das "Diplóme d'Honneur". In den achtziger Jahren hingen seine Bilder vorrangig in Paris; daselbst war er 1979 zum Mitglied der bedeutenden Société des Indépendants berufen worden, der auch Kandinsky angehörte. Am 7. April 1988 starb Egbert Patzig an den Folgen einer Lungenentzündung. Sein Werk aber lebt weiter. Ehefrau Elga erwies sich als treue und engagierte Sachwalterin seines künstlerischen Nachlasses und sorgt seither dafür, daß Egbert Patzigs Bilder nach wie vor auf Ausstellungen im In- und Ausland vertreten sind.

So auch in Bremerhaven. Dr. Lars Ulrich Scholl, Leiter der Abteilung "Schiffahrt im Industriezeitalter", hatte Patzigs Arbeiten mehrmals auf der Art Maritim 1990 in Hamburg gesehen und war tief beeindruckt. Als im letzten Jahr die Patzig-Monographie erschien, war die Zeit reif für eine Sonderausstellung. "Es wird die bislang größte auf das Thema Schiffahrt fokussierte Schau von Patzig-Werken", sagt Dr. Scholl. Bilder aus den dreißiger Jahren sind ebenso zu betrachten wie aus der "dunklen" und der expressionistischen Phase des Malers - Ölgemälde, Aquarelle, wie dahin gehaucht wirkende Tusche- und sich auf das Wesentliche beschränkende Rohrfederzeichnungen. Patzigs Motive waren immer wieder Schiffe, aber keine großen Pötte, sondern überwiegend kleine Fischerboote und Segler.

Die Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit Dr. Elga Patzig und der Reutlinger Kunsthandlung Thomas Leon Heck zustande kam, wird am Sonnabend, 31. Januar 1998, 11 Uhr, im Deutschen Schiffahrtsmuseum eröffnet.

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