Deutsches Schiffahrtsmuseum

Presse-Info-Service

Info Nr. 16/98 vom 04.09.1998

Liegeplatz in Bremerhaven war längst fertig, aber GRAF ZEPPELIN erreichte nie die Nordsee

Unvollendeter Flugzeugträger als Modell im Deutschen Schiffahrtsmuseum zu besichtigen - Vorbild Panamakanal: Schiff sollte von Lokomotiven und ohne Schlepper durch die Nordschleuse verholt werden - Trauriges Ende im Finnischen Meerbusen

Den ersten von zwei nacheinander auf Kiel gelegten, aber nie zu Ende gebauten deutschen Flugzeugträgern taufte Gräfin Hella von Brandenstein-Zeppelin am 8. Dezember 1938 auf der Bauwerft "Deutsche Werke Kiel AG" (DWK) in Anwesenheit des "Führers" Adolf Hitler und anderer höchster Würdenträger des Nazi-Regimes wie Keitel, Brauchitsch und Raeder (Göring hielt die Taufrede) auf den Namen ihres berühmten Vaters GRAF ZEPPELIN. Ein Modell des Trägers, der bis zum Kriegsjahr 1940 zu immerhin 85 Prozent fertiggestellt war, ehe die Marineleitung erstmals den Bau stillegen ließ, ist seit kurzem in der Marineabteilung des Deutschen Schiffahrtsmuseums (DSM) in Bremerhaven zu beschauen. Zu diesem Nachbau im Maßstab 1:500, besser: zum geographischen Standort seiner Vitrine, läßt sich ein bemerkenswerter lokalhistorischer Bezug herstellen: Ziemlich genau 4,2 Kilometer nordwestlich vom Museum befindet sich der für GRAF ZEPPELIN vorgesehene Liegeplatz, und der wurde im Gegensatz zum Schiff selbst schon in den Jahren 1938/39 vollendet.

Der Kriegsausbruch am 1. September 1939 mit all seinen Folgen machte die hochfliegenden Pläne der Marine zunichte: GRAF ZEPPELIN erreichte nie die Nordsee, das Schwesterschiff Flugzeugträger "B" (Baubeginn 1938 auf der Germania-Werft in Kiel) schon gar nicht. Träger "A", benannt nach dem weltberühmten Konstrukteur von Luftschiffen, wurde im Juni 1940 nach Gotenhafen geschleppt und diente unter der Bezeichnung "Zugvogel" als Lagerplatz für Edelhölzer. Am 13. Mai 1942 erging der Befehl zum Weiterbau, aber erst am 5. Dezember traf der Flugzeugträger im Schlepp wieder in Kiel ein.

Die sich ständig verändernde Kriegslage führte schon ein Jahr später, am 10. Januar 1943, zu einem erneuten Stop des nur halbherzig begonnenen Weiterbaus: Die Rüstung des bereits angeschlagenen Heeres erhielt die absolute Priorität, und die Kriegsmarine konzentrierte ihre Anstrengungen voll auf den Ausbau der U-Boot-Waffe. Im April/Mai 1933 fand GRAF ZEPPELIN seinen letzten Unterschlupf in der Mönne, einem Arm der Oder, in Stettin. Als sich die russischen Armeen Pommern näherten, ließ der Bevollmächtigte des Kommandierenden Admirals der westlichen Ostsee in Stettin, Kapitän zur See Wolfgang Kähler, zunächst die wichtigsten Teile ausbauen und am 25. April 1945 in den Maschinen- und Kesselräumen des Trägers Wasserbomben zünden: GRAF ZEPPELIN versank.

Die Russen hoben 1946 das Wrack, legten es zunächst in Swinemünde auf, beluden es mit Demontagegut und schleppten es am 27. September 1947 nach Leningrad, dem heutigen St. Petersburg. Dem Vernehmen nach soll GRAF ZEPPELIN am 18. Juni 1947 auf Position 55° 48' Nord und 18° 30' Ost durch Torpedoschüsse von Schnellbooten und den Beschuß mit 13-Zentimeter-Granaten eines Zerstörers vom Typ 7 Gnevnyj im Finnischen Meerbusen versenkt worden sein, womöglich bei der Erprobung neu entwickelter Kampfmittel.

Der Liegeplatz dagegen blieb erhalten und avancierte sogar zur Keimzelle für den Containerumschlag, der inzwischen in Bremerhaven neben dem Autoumschlag den ersten Platz im Hafenumschlag einnimmt. Ende der dreißiger Jahre hingegen hieß der heutige Nordhafen allgemein noch "Flugzeugträgerbecken". Schon 1936 war die Entscheidung gefallen, daß Bremerhaven hinter der Nordschleuse nacheinander zwei Trägerliegeplätze und im nahen Weddewarden einen Seefliegerhorst/Land mit drei Träger-Fliegergruppenstäben, zwei Träger-Mehrzweckstaffeln (mit Aufklärungs- und Torpedoflugzeugen), zwei Träger-Sturzkampfstaffeln und zwei Träger-Jagdstaffeln erhalten sollte. Für das Eindocken der beiden Schiffe konnte die Marine ohnehin schon über das Kaiserdock II verfügen.

Unter der Bauleitung des nach dem Kriege in Bremerhaven als Unternehmer sehr erfolgreichen Ingenieurs Andreas Carstens wurde auf der Westseite des Nordhafens eine 325 Meter lange Kaje gebaut. Den Auftrag dazu hatte die AG Hochtief/Rogge erhalten. Die Konstruktion bestand aus einer Stahlspundwand und dahinter bündelweise in den Boden gerammten Holzpfählen und trug eine Betonplatte. Auf der Kaje wurden Versorgungskanäle für Dampf und Strom verlegt. Die Wassertiefe vor dem neuen Liegeplatz war mit 13 Metern die größte im gesamten Hafengebiet.

Die optimale Verkehrsanbindung zum Flugplatz Weddewarden bildete neben der strategisch günstigen Lage eine der wesentlichen Voraussetzungen bei der Standortwahl für den Liegeplatz. Die Flugzeuge sollten von Weddewarden auf der Schiene zum Träger geschafft werden. Für das Verholen des mit dem sogenannten Atlantikbug 262,5 Meter langen und immerhin 36,2 Meter breiten Trägers durch die enge Nordschleuse hatte man sich, um auf einen Schleppereinsatz, der mehr Platz erfordert hätte, verzichten zu können, ein besonderes System ausgedacht: Ähnlich wie im Panamakanal sollten Lokomotiven das Schiff durch die Schleuse und den Vorhafen ziehen.

Die Marine plante auch noch den Bau des Liegeplatzes für den Träger "B", diesmal auf der Ostseite des Hafenbeckens. Es entstanden sogar schon die Fundamente für ein Heizhaus und für unterirdische Öltanks. Weil die Bauarbeiten im Kriege abgebrochen wurden, blieb ein Sumpfloch zurück, in das die amerikanischen Besatzungsstreitkräfte nach 1945 Bauakten und anderes für sie unbrauchbares Material kippten.

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