Deutsches Schiffahrtsmuseum

Presse-Info-Service

Info Nr. 01/99 vom 20.01.1999

Kostengünstige Schiffskonservierung mit Rasensprengern

Altes Torfschiff aus dem Teufelsmoor befand sich jahrelang im Sprühnebel - Experte aus dem Deutschen Schiffahrtsmuseum half mit Rat und Tat -

Fünf Jahre nach Ende der Behandlung ließ sich Dr. Per Hoffmann Zeit, um das Ergebnis zu analysieren und so zu einem abschließenden Urteil über den Zustand und die Überlebenschance des "Patienten" zu kommen. Sein Ergebnis fiel günstig aus: Das über hundert Jahre alte, 21 Meter lange Holzschiff haben Landwirte 1984 aus einem verlandeten Seitenkanal des Flüßchens Beeke im Teufelsmoor nördlich von Bremen gebaggert. Jetzt kann es als erfolgreich konserviert gelten und noch Jahrhunderte überdauern, wenn es gut gepflegt wird.

Per Hoffmann, Naßholzexperte und Konservator am Deutschen Schiffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven, der den Eigner Landkreis Osterholz mit wissenschaftlich fundiertem Rat und auf praktischer Erfahrung beruhender Tat nachhaltig unterstützt hat, gibt seinem Schützling, über dem man eine alte Fachwerkscheune, das heutige Torfschiff-Museum in Osterholz-Scharmbeck, errichten ließ, mit gutem Gewissen eine hohe Lebenserwartung. Sein Optimus gründet sich darauf, daß das Eichen- und Kiefernholz nach seiner vierjährigen Sprühbehandlung mit flüssigem PEG 200 (Polyethylenglykol) - zunächst in 25-, später in 40 %iger Lösung - nur noch um 0,5 bis 1,7 Prozent schrumpfte. Ohne die Stabilisierung wäre eine Schwindung von 7 bis 16 % zu erwarten gewesen.

Dabei hatte Dr. Hoffmann sogar eine besonders kostengünstige, von ihm bis dahin noch nicht erprobte Methode anwenden müssen: Weil es dem Landkreis unmöglich gewesen wäre, das Geld für eine Tauchtränkung aufzubringen (allein das benötigte PEG 200 hätte einen Aufwand von 300.000 DM erfordert), entschloß er sich, das Schiff mit einer Lösung aus Wasser und PEG besprühen zu lassen.

Zunächst entstand über dem Tauchbecken, in dem das Boot ab Mai 1985 bis zum Beginn der eigentlichen Konservierung erst einmal in klarem Wasser lag, eine einfache Überdachung aus einem Lattengerüst und Folie. Eine Tauchpumpe mit einer Leistung von zehn Kubikmetern in der Stunde und sechs Metern Förderhöhe saugte die Konservierungsflüssigkeit über einen Pumpensumpf auf und ließ sie über lose liegende Gartenschläuche durch zehn bis fünfzehn Fächer-Rasensprenger und drei bis vier Rundum-Sprenger versprühen: ein kontinuierlicher und geldsparender Kreislauf.

Von Zeit zu Zeit überprüfte Hoffmann in den folgenden Monaten und Jahren immer wieder, wie weit die Sprühlösung inzwischen in die Seitenplanken und Bodenplanken eingedrungen war. Nach 22 Monaten Besprühen mit 25 %igem und nach weiteren 10 Monaten mit 40 %igem PEG 200 war er endlich zufrieden: Die Durchtränkung hatte zumindest den Wert der Sprühlösung erreicht. Nur in einer Bodenwrange war PEG nur unzureichend, im Innern des Holzes dieses Schiffsteils überhaupt nicht nachweisbar. Da half nur eine Verlängerung der Tränkung. Nach weiteren 11 Monaten konnte Dr. Hoffmann die Behandlung abschließen. Die Konservierung war geschafft.

Noch während des Sprühvorganges durften die Helfer mit der Restaurierung beschädigter Teile beginnen. So hatte der Bug die Freilegung im Moor nicht ohne Blessuren überstanden. Auf den Spantenköpfen an der Steuerbordseite montierten die Männer eine Reling, auf dem Achterschiff zogen sie ein kurzes Deck ein, am Heck brachten sie ein Ruder an. Allen neuen Teilen verlieh Karbolineum einen alten Look. Damit erhielt das Wrack das charakteristische Aussehen eines Bockschiffes, an das sich alte Leute noch gut erinnern. Mit solchen Schiffen beförderte man im vorigen Jahrhundert Torf aus dem Teufelsmoor in die nahegelegenen Ziegeleien und Kalkbrennereien oder als Hausbrand nach Bremen und Bremerhaven.

Eigentlich hätten dem Naßholzexperten vom DSM die Haare zu Berge stehen müssen, als er nachträglich erfuhr, welche Tortur das Wrack auf sich nehmen mußte. Nachdem sie das Schiff aus dem Sumpf geholt hatten, ließen die Landwirte es aufschwimmen und zogen es in die Beeke. Der Heimatverein brachte Bier an Bord und veranstaltete zunächst eine Lustfahrt mit Musik. Dann aber erwachte das denkmalspflegerische Gewissen. Nach einigen Tagen Verhandlung erklärte sich der Landkreis bereit, das 21 Meter lange, 5 Meter breite und einen Meter hohe Museumsstück zu übernehmen. Es kam zu ersten Beratungen zwischen den Leitern des Kultur- und des Bauamtes und dem DSM. Ergebnis: Das Torfschiff ging, damit es nicht austrocknen konnte, zunächst wieder auf Tauchstation - in einen Hafen des Wasser- und Schiffahrtsamtes in Worpswede.Von dort trat es nach einem kurzen "Landaufenthalt" seine wohl letzte Reise auf einem Tieflader nach Osterholz-Scharmbeck in das bereits fertig betonierte Tauchbecken an, das heute sozusagen sein neuer Heimathafen ist.

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