Deutsches Schiffahrtsmuseum

Presse-Info-Service

Info Nr. 12/99 vom 25.08.1999

Das Seebeben tobte wohl nur in Luckners Phantasie

Das Kriegstagebuch des im Ersten Weltkrieg in der Südsee erfolgreichen Hilfskreuzers "Seeteufel" enthüllt: Ursache für die Strandung auf der Insel Mopelia war vermutlich seemännische Schlamperei - Beachtenswerte Neuerscheinung aus dem Deutschen Schiffahrtsmuseum

Aufschneider und Schönfärber seien gewarnt: Das unbestechliche Dokument, auch wenn es noch so spät und erstmals in vollem Umfang der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird wie das Kriegstagebuch einer berühmten Kaperfahrt der "Seeadler" unter seinem noch berühmteren Kommandanten Felix Graf von Luckner, das Dokument enttarnt sie gnadenlos. Wobei keineswegs behauptet werden soll, der geniale adelige PR-Experte in eigener Sache sei ein Aufschneider gewesen. Ein Schönfärber aber wohl doch, wie ein Vergleich zwischen Kriegstagebuch und Luckners eigener Schilderung ergibt - am Beispiel der Strandung des zum Hilfskreuzer umgerüsteten Vollschiffes am 12. August 1917 auf den Korallenklippen der Insel Mopelia in der Südsee. Von einem Seebeben, das Luckner in seinem Bestseller "Seeteufel. Abenteuer aus meinem Leben" als Ursache angegeben hat, ist in der nüchternen Schilderung nicht die Rede.

"Eher darf man den Grund in reiner Schlamperei suchen", vermutet im Klappentext Herausgeber Dr. Uwe Schnall, Leiter der wissenschaftlichen Redaktion am Deutschen Schiffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven. Zu diesem Urteil mußte er kommen, nachdem ihm Hans D. Schenk, der das Kriegstagebuch, das im Bundesarchiv/Militärarchiv in Freiburg aufbewahrt wird, editorisch bearbeitet hatte, sein Manuskript zur Lektüre vorgelegt hatte. Schnall entschied sich sofort für eine Veröffentlichung unter dem Titel "Graf Luckners 'Seeadler'. Das Kriegstagebuch einer berühmten Kaperfahrt" ist im Verlag "Die Hanse" als aufwendiger Band erschienen, in dem jeder als Faksimile wiedergegebenen handschriftlichen Seite des Tagebuches der gleiche Text noch einmal in der Transliteration gegenübergestellt ist.

So kritisch man die Fabuliersucht des Grafen bewerten muß, die ihn Phantasie und Wirklichkeit willkürlich vermischen ließ, wenn er sich dadurch nur in günstigstem Licht darstellen konnte, eines bestätigte das Tagebuch aber uneingeschränkt: Luckner war bei aller Eitelkeit ein nobler Mensch und ritterlicher Marineoffizier, stets um das Wohl der vielen Gefangenen besorgt, die er gut behandelte und versorgte. 203 von ihnen entließ er am 21. März 1917 mit einem beschlagnahmten Segler in die Freiheit. Was die Anzahl der versenkten "feindlichen" Handelsschiffe betraf: Militärisch ließ sich der nur wenige Monate dauernde Einsatz des Hilfskreuzers "Seeteufel" durchaus als großer Erfolg bewerten.

Graf Luckner verließ die Südseeinsel bereits am 23. August 1917 in Begleitung von Leutnant Carl Kircheiß - er war später einer seiner drei Ghostwriter - und vier weiteren Besatzungsmitgliedern mit einem Motorboot und dem Ziel, ein größeres Schiff zu kapern und damit zurückzukehren. Das Tagebuch wurde von diesem Tage an weitergeführt vom Ersten Offizier, Leutnant zur See der Reserve Alfred Kling, dem Luckner das Kommando über die zurückgebliebene 58köpfige Besatzung übertragen hatte und der somit auch für das Schicksal der restlichen Gefangenen verantwortlich war. Am 5. September 1917 kaperte ein Prisenkommando unter seiner Führung mit einem Motorboot den unter französischer Flagge fahrenden Zwei-Mast-Gaffelschoner "Lutéce", der sich der Insel und dem Wrack der "Seeteufel" ahnungslos genähert hatte. Obwohl sich das Segelschiff als halbwrack erwies, holte die Besatzung schon am nächsten Tag die Reichskriegsflagge auf der Insel ein, ließ die mittlerweile schon wieder 47 Gefangenen mit einem noch in der Reparatur befindlichen Boot und Proviant für zwei Monate zurück und stach mit der "Lutéce" in die offene See.

Dieser bislang weitgehend unbekannte oder unbeachtete Teil des Kriegstagebuches enthält Einträge, die selbst den Bearbeiter Schenk überraschten. Mit dem maroden Segler gelang der "Seeteufel"-Besatzung die Überfahrt zu den Osterinseln, auf denen sie länger verweilte als auf Mopelia, ehe sie schließlich das neutrale Chile erreichte.

Der 167 Seiten starke Band im Format 21 mal 27 Zentimeter kostet 68,-- DM. Er ist beim Deutschen Schiffahrtsmuseum und im Buchhandel erhältlich.

Hinweis: Die Veröffentlichung des Info-Service ist kostenfrei. Wir bitten jedoch bei Druckmedien um Übersendung eines Belegexemplars.


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