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Vorweg
Gezeiten oder Tiden– was ist das eigentlich? Jeder, der einmal an der Küste der Nordsee oder des Atlantik war, kennt dieses Vordringen und Zurückweichen des Meeres. Aus der Deutschen Bucht zum Beispiel sind die weitgestreckten Watten bekannt, die bei Niedrigwasser bis zum Horizont trockenfallen und eigentlich eine Art Zwischenzone zwischen Land und See bilden. Und wer einmal in der Bretagne war oder in den westlichen Teilen Englands, der ist von den gewaltigen Gezeitenerscheinungen beeindruckt, bei denen zwischen Hoch- und Niedrigwasser mitunter über 12 m liegen und die den Charakter auch dieser Küsten jeweils vollständig verändern: Große Küstenschiffe, die die Häfen in den Flußmündungen anlaufen, liegen Stunden später hoch und trocken an der Kaje, und wo am Vormittag noch mächtige Wellen gegen die Felsen brandeten, liegen am Nachmittag die Badenden auf ihren Decken.
Zweimal am Tag findet dieser Wechsel statt und hat etwas mit dem Mond zu tun; das lernen schon die Schüler in der Schule. Aber wie die Zusammenhänge im einzelnen sind, da sind oft auch Erwachsene überfragt. Zum Beispiel: Warum kommt das Wasser zweimal am Tag, obwohl der Mond ja nur einmal über den Himmel zieht? Oder: Wenn an einem Tag das Hochwasser genau auf den Mittag fällt, wann ist dann am folgenden Tag Hochwasser? Oder: Warum läuft die Flut an manchen Tagen besonders hoch auf, an anderen aber nur wenig? Und wo bleibt das ganze Wasser eigentlich, wenn es zurückweicht?
Diese und viele andere Fragen will diese Broschüre so ganz nebenbei beantworten helfen. Gleichzeitig soll sie ein Führer durch den Ausstellungsbereich „Gezeiten“ des Deutschen Schiffahrtsmuseums sein und auch erklären, warum die Gezeiten und ihre Vorausberechnung für die Seeschiffahrt so wichtig sind. Vorkenntnisse sind dabei nicht erforderlich. Im Gegenteil, es ist gerade zum Verständnis der grundlegenden physikalischen Zusammenhänge, die zu den Gezeiten führen, manchmal einfacher, wenn man ganz von vorn anfängt...
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