Der spätere Niedergang war längst eingeläutet, als sein Bruder, der Senator Gustav Godeffroy, es im Jahre 1878 wagte, einen ihm vom russischen Zaren verliehenen Orden an seinen Frack zu heften, obwohl Senatsmitgliedern nach hamburgischen Gebräuchen die Annahme von "Dekorationen" nicht gestattet war: Er wollte lieber die "Hundemarke" eines Kaisers tragen als republikanischer Senator a.D. sein. Gustav Godeffroy verlor nicht nur den Titel und die Vorrechte, die Runde der Senatoren beschloß darüber hinaus, den Namen Godeffroy im Staatshandbuch zu streichen.
Die promovierte Historikerin, Journalistin und Buchautorin Gabriele Hoffmann hat den Namen nun wieder zu neuem Leben erweckt. Ihr gelang es mit Hilfe einer Freundin, deren Ururgroßmutter der Hamburger Oberschicht angehörte, das Familienarchiv der Godeffroys aufzuspüren, das in der Forschung bis dahin als verloren galt und das seit sechzig Jahren niemand mehr benutzt hatte. Sie fand Briefe der Großmutter "Cesar VI." Godeffroys über den idealen Bürger, Instruktionen seines Vaters über die Handlungsweise des idealen Bürgers und Briefe des Bruders Alphons, der lange Jahre Direktor der Hapag war. So stieß sie auf schriftliche Zeugnisse von fünf Generationen Kaufleute und ihrer Frauen.
Im Staatsarchiv Bremen schließlich entdeckte Gabriele Hoffmann Berichte des Wirtschaftsspions - diesen Beruf gab es schon damals - Hugo Wolff, der Informationen über die weltweiten Aktivitäten des Handelshauses gesammelt hatte und so der Historikerin nachträglich Aufschluß über die Lösung einer Frage vermittelte, über die in der Kolonialliteratur lange gerätselt wurde: Wie kam es, daß ein Tycoon wie Godeffroy seine Zahlungen einstellen mußte. Kurzantwort: Es waren viel Intrigen und Politik im Spiel.
Das Haus "Elbchaussee Nr 499" in Blankenese, das sommers der Familie Cesar G. als Residenz diente, kannte Gabriele Hoffmann seit ihrer Kindheit. Der Name Godeffroy dagegen begann sie erst zu beschäftigen, als sie mit einem Kopraschiff zu den Laun-Inseln, Fidschi, fuhr, bei einer samoanischen Familie in einem Haus ohne Wände wohnte und in alten Godeffroyschen Plantagen spazierenging. Wohin sie auch kam in der Südsee, stets stieß sie auf neue Spuren der Hamburger Dynastie.
Der 1813 in Hamburg geborene Cesar Godeffroy wurde zum Inbegriff des hanseatischen Kaufmanns. Er schickte seine Segelschiffe um den Globus und stieg zum größten Segelschiffsreeder seiner Zeit auf. Er baute die modernste Werft an der Elbe und in Osnabrück das modernste Stahlwerk Deutschlands. Er war der wahre König der Südsee. Cesar Godeffroy wurde in Hamburg und mit Hamburg groß. In der Regierung des Stadtstaates, dem Senat, in der Selbstverwaltung, im Parlament - überall saß schließlich ein Godeffroy. 1885 starb "Cesar VI", als der er in der Familienchronik geführt wurde. Das weiße Haus an der Elbchaussee steht für Historiker von heute vor einem farbig-düsteren Hintergrund aus Geschichten von Waffenhändlern, Perlentauchern und Kannibalen, vom Handel mit Kopra und mit Sklaven.
Gabriele Hoffmann hat die Hamburger Familiensaga gründlich recherchiert und facettenreich aufgeschrieben. So entstand ein spannendes, aber auch informatives und für die Geschichtsforschung ergiebiges Buch, das Dr. Uwe Schnall, Leiter der wissenschaftlichen Redaktion, für das Deutsche Schiffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven im Hamburger Kabel Verlag herausgegeben hat. Es ist ein einziges Lesevergnügen, trotz oder gerade wegen seines Umfangs von 519 Seiten und ist ab sofort zum Preis von 49,80 DM im DSM und bei allen Buchhandlungen erhältlich.
Speziell der Bremer Leserschaft unterbreitet die Autorin ein besonderes Geschenk in der Vorweihnachtszeit. Auf Einladung der Buchhandlung Geist, der Handelskammer Bremen und des Deutschen Schiffahrtsmuseums liest sie am
Dienstag, 1. Dezember 1998, 19 Uhr
im Bremer Schütting aus ihrem Buch, das den Titel trägt: "Das Haus an der Elbchaussee. Die Godeffroys - Aufstieg und Niedergang einer Dynastie".
Der Eintritt ist frei.
Hinweis: Die Veröffentlichung des Info-Service ist kostenfrei. Wir bitten jedoch bei Druckmedien um Übersendung eines Belegexemplars.