Deutsches Schiffahrtsmuseum

Regional-Presse-Info

Regionalinfo 20/98 vom 18.12.1998

Verkehrspolitik muß umsteuern: From Road to Sea

Dreisprachiges Buch "Unter Land und über See" zur Küstenschiffahrt im 20. Jahrhundert erschienen - Arbeitskreis plant jetzt Sonderausstellung an Bord eines Küstenmotorschiffes

Weil der ständig und überproportional wachsende Straßenverkehr die Umwelt in einem Maße belastet, das längst nicht mehr erträglich ist, wird immer lauter und energischer die Forderung vorgetragen: "From Road to Sea" - auf gut deutsch: Runter mit den Transportgütern von den Lkws, rauf auf die Küsten- und Binnenschiffe. Mit der verkehrspolitischen Zukunft Europas, die von völlig neuen Konzepten bestimmt sein muß, befassen sich seit zwei Jahren auch Wissenschaftler, deren Blicke eigentlich mehr in die Vergangenheit gerichtet sind - die Mitglieder des Arbeitskreises "Küstenschiffahrt im 20. Jahrhundert". Vor dem Hintergrund ihrer historischen Forschungen engagieren sie sich ebenfalls für die Aktion "From Road to Sea" und planen, eine schwimmende Ausstellung zur Geschichte und heutigen Bedeutung der Küstenschiffahrt auf Rundreise von Hafen zu Hafen zu schicken. In Deutschland sollen Papenburg, Bremerhaven, Wischhafen, Flensburg und Rostock die Zwischenstationen sein.

An ein solch aufwendiges Projekt wagten die Historiker und Volkskundler noch gar nicht zu denken, als sie sich im September 1996 auf Einladung des Deutschen Schiffahrtsmuseums (DSM) erstmals in Bremerhaven trafen: Am Tisch saßen anfangs nur Wissenschaftler aus Museen in Dänemark und Deutschland. In der Zwischenzeit ist die Runde gewachsen: Kollegen aus drei weiteren Anrainerstaaten der Nord- und Ostsee, den Niederlanden, Norwegen und Schweden arbeiten intensiv mit. Auch zeichnet sich ab, daß die Pläne nicht an den Kosten scheitern werden.

Die Ausweitung der Aktivitäten läßt sich auch an der ersten Publikation erkennen, die, wie schon vor zwei Jahren anvisiert, termingerecht Ende 1998 unter dem deutschen Titel "Unter Land und über See. Berichte aus der Küsten- und Fährschiffahrt im 20. Jahrhundert" (der dänische Titel lautet: "Fra kyst til kyst") auf den Markt gekommen ist. Die Grundfinanzierung für dieses Buchprojekt hat das Statens Museumsnaevn in Kopenhagen ermöglicht; das Deutsche Schiffahrtsmuseum und die Kuwait Oil Denmark haben sich mit Zuschüssen beteiligt. Alle Beiträge haben die Autoren übrigens in ihrer jeweiligen Landessprache verfaßt, in deutsch, dänisch und norwegisch. Selbstverständlich fehlen auch die englischsprachigen Kurzfassungen nicht. Die deutschen Beiträge beschreiben ausführlich die Entwicklung der Küstenschiffahrt in der Bundesrepublik und der DDR, den Alltag an Bord der Kümos LOTA, ANNEMARIE, GRAUERORT, EVI und PERA sowie die Geschichte der Fährverbindung nach Pellworm. Zahlreiche Fotografien von Schiffen und vom Leben an Bord werden die Herzen der Küstenschiffahrtfans höher schlagen lassen. Die Redaktion übernahm in Dänemark Ole Mortensøn vom Langelands Museum in Rudkøbing und in Deutschland Klaus-Peter Kiedel vom Deutschen Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven.

Das mit viel Geschmack gestaltete Buch ist im Odense Universitetsforlag erschienen, kostet 68,-- DM und ist über das Deutsche Schiffahrtsmuseum, den Buchhandel oder den Verlag Gert Uwe Detlefsen in Bad Segeberg zu beziehen.

Einer der Autoren ist auch Klaus Köster, bis zum Zusammenschluß mit dem Verband Deutscher Reeder (VDR) im Jahre 1995 Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Küstenschiffseigner und seither Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im VDR. Er analysierte in seinem Beitrag "From Road to Sea - oder: Von den Problemen, eine gute Idee in die Tat umzusetzen" die dramatisch sich zuspitzende Entwicklung im Personen- und vor allem im Güterverkehr, die unweigerlich in einen Kollaps münden muß, wenn die europäische Verkehrspolitik nicht rechtzeitig und rigoros umsteuert. Alle Prognosen gehen davon aus, daß allein der Güterverkehr auf der Straße von 1988 bis 2010 um 95 Prozent zunehmen wird. Der Transsitverkehr durch Deutschland werde sich in diesem Zeitraum verdoppeln, der Ost-West-Güterverkehr sogar mehr als versiebenfachen.

Den Ausweg aus diesem Dilemma bietet vor allem die europäische Seeschiffahrt, die im Vergleich zu den anderen Verkehrsträgern Straße und Schiene nicht weniger leistungsfähig und attraktiv ist. Sie fordert, wie Klaus Köster hervorhebt, keine staatlichen Eingriffe in der Verkehrslenkung und will auch keine Subventionen, um im Wettbewerb mit Straße und Schiene bestehen zu können. Noch bevorzugt die verladende Wirtschaft den Lkw-Transport. Die deutschen Reeder, die über die größte und modernste Flotte von Küstenschiffen in Europa verfügen, haben sogar erleben müssen, daß selbst um 25 Prozent geringere Kosten nicht automatisch zur Verlagerung von Transporten auf das Seeschiff geführt haben.

Vor dem Hintergrund dieser nicht rational, sondern nur mental zu erklärenden Situation will der Arbeitskreis "Küstenschiffahrt im 20. Jahrhundert" das bereits 1956 gebaute dänische Küstenmotorschiff SAMKA chartern und als "schwimmendes Museum auf Zeit" nutzen. Im Laderaum werden die Experten unter dem Thema "From Road to Sea" eine Sonderausstellung aufbauen, mit der das Schiff nicht nur deutsche, sondern auch holländische, dänische und schwedische Häfen anlaufen soll. Voraussetzung für die Realisierung dieses Projektes ist freilich noch, daß die EU aus dem sogenannten "Rafael-Programm" einen finanziellen Zuschuß leistet. Eine entsprechende Entscheidung wird in Kürze erwartet. Hinweis: Die Veröffentlichung des Info-Service ist kostenfrei. Wir bitten jedoch bei Druckmedien um Übersendung eines Belegexemplars.


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