Around the corner

Around the corner / around the clock –
Mit der FEEDERPILOT von Bremerhaven in die Ostsee

Die riesigen im überseeischen Verkehr eingesetzten Autotransporter mit einem Fassungsvermögen von mehreren tausend Fahrzeugen laufen nur die großen und auf diese Ladung spezialisierten Häfen der Welt an. Im Zubringer- und Verteilerverkehr der sogenannten „Hub Ports“ werden neben Bahn und LKW kleinere Schiffe mit einer Ladekapazität von bis zu 850 Personenwagen eingesetzt.

Eines der bekanntesten Unternehmen in dieser Sparte ist die E. H. Harms GmbH & Co., Car Feeder Service mit Sitz in Bremen. Die Harms-Gruppe ist der führende deutsche Anbieter sowohl im Bereich der Verteiler- und Zubringerdienste auf der Straße, auf Wasserwegen und über See als auch bei der Aufbereitung der Fahrzeuge vor der Auslieferung an den Händler (vgl. S. 33 ff.). Das Unternehmen mit dem auch in der Reedereiflagge wiedergegebenen Firmenmotto „Around the Corner / Around the World / Around the Clock“ beschäftigt heute insgesamt rund 1500 Mitarbeiter.

Die FEEDERBALTIC ist eines von vier modernen Schiffen der Firma Egon H. Harms, die speziell für den Zubringerdienst an den europäischen Küsten entwickelt wurden.
(Foto: Alfred Rostek)

Begonnen hatte der Firmengründer Egon H. Harms 1959 mit der Verschiffung von Privatfahrzeugen für Angehörige der amerikanischen Streitkräfte und später auch Touristen, damals allerdings noch nicht mit einer eigenen Flotte. Nachdem es 1977 und 1979 gelungen war, zunächst Toyota und danach Mitsubishi als erste japanische Importeure für Bremerhaven zu gewinnen – andere asiatische Firmen wie auch deutsche und europäische Exporteure folgten bald –, begann der ehrgeizige Unternehmer im Jahre 1985 damit, seiner inzwischen aufgebauten Flotte von Lastkraftwagen für den Automobiltransport auch eine solche auf dem Wasser anzugliedern. Dazu wurde zunächst geeignete Second-hand-Küstenschiffstonnage angekauft, die – soweit erforderlich – für den zukünftigen Einsatzzweck umgebaut oder auch modernisiert wurde. Ende der neunziger Jahre kamen dann, nachdem Harms 1991 mit der japanischen „K“-Line eine Partnerschaft eingegangen war, die ersten Neubauten hinzu. Die damit verbundenen Investitionen erschienen auch vor dem Hintergrund sinnvoll, dass die bedeutenden europäischen Autohersteller neue Produktionsstätten in Spanien, Portugal, England und Finnland errichteten, deren Produkte sowohl innerhalb Europas als auch zu den Haupthäfen für den überseeischen Export transportiert werden müssen. Für diese Aufgabe bot sich die Verschiffung sowohl unter ökonomischen als auch ökologischen Aspekten an. Heute laufen Schiffe der Reederei Harms mehr als 20 Häfen in Europa regelmäßig an, darunter vier finnische, fünf schwedische, drei dänische, einen polnischen, drei baltische und vier englische. Weitere Häfen werden bei Bedarf in den Fahrplan aufgenommen. Haupthafen in Deutschland ist Bremerhaven mit 440 Anläufen im Jahre 2000, aber auch Hamburg (315), Cuxhaven(67) und Emden(48) spielen eine bedeutende Rolle. Seit Mitte der 90er Jahre liegt die Zahl der jährlich von den Harms-Küstenschiffen transportierten Fahrzeuge bei rund 350 000 Einheiten. Durch die Kooperation mit anderen Reedereien ist Harms auch im Verkehr zu und von Häfen in Spanien, Nordafrika, den Beneluxländern und auf den Kanarischen Inseln engagiert.

Stolz ist man darauf, dass trotz der Hektik des Ladegeschäftes im Schnitt nur zwei von 1000 Autos Kratzer oder Beulen davontragen, wobei es sich zudem in den meisten Fällen um Bagatellschäden handelt. .

Die englischen United European Car Carriers (UECC) gehören neben Harms zu den wichtigsten Reedereien, deren Schiffe im europäischen Verteilerverkehr Bremerhaven anlaufen.
(Foto: Alfred Rostek)

In die neuen Schiffe flossen alle Erfahrungen ein, die Harms-Mitarbeiter an Bord und in den Häfen gesammelt hatten – von den bestmöglichen Voraussetzungen für die Be- und Entladung über die besonders guten Manövriereigenschaften, um auch kleine Häfen in Nord- und Osteuropa anlaufen zu können, bis hin zur Eisverstärkung für den winterlichen Betrieb in der Ostsee.

Zur Flotte der Firma Harms gehörten im Jahre 2001 neben Binnenschiffen elf sogenannte Feeder, also im küstennahen Zubringer- und Verteilerdienst eingesetzte Spezialfrachter. Als Beispiel sei hier die FEEDERMATE beschrieben, ein 1998 bei der Detlef Hegemann Rolandwerft in Berne-Warfleth gebautes Schiff, dem in den folgenden Jahren noch drei Schwesterschiffe folgten. Die FEEDERMATE ist knapp 99,90 m lang und 19,95 m breit. Die acht Ladedecks mit einer Stauhöhe von 1,70 bis 2,30 m reichen für eine Gesamtspurlänge von 4400 m, auf der bis zu 875 Personenwagen abgestellt werden können. Bei der im Verhältnis zur Schiffsgröße beachtlichen Seitenhöhe von 18,55 m bis zum Oberdeck und dem relativ geringen Gewicht der Ladung sind umfangreiche Ballasttanks im Doppelboden und in den seitlichen Räumen des Unterwasserschiffes erforderlich, um die notwendige Stabilität des Schiffes zu erzielen. Das oberste Wetterdeck ist durch eine Art „Frontspoiler“ vor Wasserschlag geschützt. Die Aufbauten am Heck des Schiffes reichen bis zur Höhe des elften Decks, auf dem die Kommandobrücke eingerichtet ist.

13 Mann gehören zur Besatzung der FEEDERPILOT.
(Foto: Alfred Rostek)

Die beiden Marine-Dieselöl verbrennenden Hauptmaschinen der FEEDERMATE leisten zusammen 4800 kW, womit das Schiff 15,5 Knoten Fahrt macht. Es gibt zwar auch Autotransporter mit deutlich höherer Geschwindigkeit im Küstenverkehr, aber man setzt bei Harms weniger auf schnelle Reisen als auf einen schnellen Umschlag im Hafen – mit dem Vorteil eines günstigen Brennstoffverbrauchs. Die rasche Be- und Entladung wird begünstigt durch die stützenlosen Decks mit einem ausgeklügelten Rampensystem, das zügiges Fahren erlaubt. Die auf der Steuerbordseite angebrachte Heckrampe, über die die Autos vom Kai an Bord rollen, ist 12 m breit und 5 m hoch.

Da die FEEDERMATE mit ihrer großen Seitenfläche relativ windanfällig ist, aber trotzdem ohne Schlepperhilfe an- und ablegen sowie in Häfen oder Schleusen verholen soll, wurde über zwei Verstellpropeller mit Becker-Flossenrudern sowie Bugstrahlruder für hervorragende Manövriereigenschaften gesorgt. Zu den Rettungseinrichtungen gehören ein Freifallrettungsboot sowie ein über Davit auszubringendes Rettungsboot.

Auch auf modernen Schiffen beeinflusst die Leistung des Kochs die Boardatmosphäre. Bedingt durch die unterschiedlichsten Arbeitszeiten rund um die Uhr, werden dreimal am Tag warme Mahlzeiten zubereitet. Dazu reicht der Koch morgens und abends auch Brot mit Aufstrich. Unterernährung ist daher kein Problem an Bord.
(Foto: Alfred Rostek)

Im pieksauberen Maschinenraum der  FEEDERMATE.
(Foto: Alfred Rostek)

Die Unterkünfte an Bord bieten Platz für 15 Personen, zur Mannschaft gehören gewöhnlich 13 Besatzungsmitglieder mit folgenden Funktionen: Neben dem Kapitän stehen ein Erster und ein Zweiter Offizier als Nautiker für den Brückendienst zur Verfügung. Die Maschine ist mit zwei Ingenieuren besetzt, denen noch ein sogenannter Oiler zur Hand geht. Als Seeleute im Decksdienst sind vier Mann gemustert. Für das leibliche Wohl sorgt schließlich ein Koch, dem noch ein Steward zur Seite gestellt ist. Wie heute allgemein üblich, setzen sich auch auf den Schiffen der Reederei Harms die Besatzungen aus Seeleuten verschiedener Nationen zusammen. Ein Blick in die Crewliste des Schwesterschiffes FEEDERPILOT anlässlich der Reise, auf der die hier wiedergegebenen Fotos entstanden, zeigte allerdings einen relativ hohen Anteil an deutschem Personal, nämlich fünf Mann (Kapitän, Erster Offizier, beide Ingenieure und der Koch). Die übrigen Besatzungsmitglieder stammten aus Polen, Portugal und Chile.

Wie schnell die Abfertigung in den Häfen vor sich geht, weist ein Protokoll ebenfalls jener Reise aus, auf der die Fotos für das Deutsche Schiffahrtsmuseum gemacht wurden. Um 2 Uhr früh hatte die FEEDERPILOT das Ladegeschäft in Bremerhaven abgeschlossen und trat ihre Reise nach Polen und Finnland an. Um zehn Uhr begann die Schleusung von der Elbe in den Nord-Ostsee-Kanal. Nach sechsstündiger Passage erreichte das Schiff Holtenau und nach Verlassen der dortigen Schleuse über die Kieler Förde die Ostsee. Bereits am folgenden Tag machte die FEEDERPILOT gegen 18.30 Uhr in Gdynia fest, wo ausnahmsweise nur sehr wenige Fahrzeuge zu löschen waren, so dass es bereits eine Stunde später wieder „Leinen los“ hieß. Einen Tag später lief das Schiff um 21.15 Uhr den südfinnischen Hafen Hanko an, wo die Frühschicht am folgenden Morgen um 6.20 Uhr die Löscharbeiten aufnahm. In den folgenden Stunden rollten über 800 Neuwagen von Bord. Um 13.00 Uhr legte FEEDERPILOT zur sechsstündigen Weiterfahrt nach Uusikaupunki an der Westküste Finnlands ab. Hier kamen zwischen 20.00 und 23.00 Uhr 250 Personenwagen der Hersteller Porsche und Saab an Bord. Gleich danach trat das Schiff die Heimreise an, auf der am Sonntagmorgen die Routine durch eine Feuerschutz- und Rettungsbootübung unterbrochen wurde. Nachmittags um 14.30 war wieder der Nord-Ostsee-Kanal bei Holtenau erreicht und am nächsten Morgen um 7 Uhr machte die FEEDERPILOT nach einer typischen, knapp einwöchigen Ostseereise wieder in Bremerhaven fest.

Ein Porsche aus finnischer Produktion rollt in Bremerhaven an Land.
(Foto: Alfred Rostek)

Im Jahre 2000 transportierten die Feeder der Reederei Harms 336 305 Einheiten. Aber auch die ebenfalls betriebenen Binnenschiffe hatten mit 67830 beförderten Einheiten einen beachtlichen Anteil am Gesamtergebnis des Unternehmens. Die dafür eingesetzten modernen Spezialschiffe verkehren auf dem Rhein und bringen von den Kölner Fordwerken Neuwagen zu den Mündungshäfen sowie asiatische Importe von dort nach West- und Südwestdeutschland.

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