Käfer auf Transatlantikreise

Käfer auf Transatlantikreise –
Als Autos noch mit Kränen verladen wurden

Auch die ersten „Käfer“, die Volkswagen nach dem Zweiten Weltkrieg nach Amerika und bald in alle Welt exportierte, fuhren nicht auf ihren eigenen Rädern an Bord, sondern wurden mit Hafenkränen oder dem Ladegeschirr der Schiffe geladen und gelöscht. Dabei schlug man zunächst der Einfachheit halber vier Haken an den Trägern der Stoßstangen an. Später ging man – wie schon zuvor bei den Wagen anderer Hersteller – dazu über, die Autos mittels Gurten an den Rädern oder Felgen an Bord zu hieven..

Im Hamburger Hafen: 3-t-Kräne schlagen VW-Käfer von Eisenbahnwaggons auf einen  Frachter um.
(Foto: Walter Lüden / Archiv DSM)

Zur Verschiffung von Neuwagen waren im Prinzip alle Stück- oder Massengutfrachter gleichermaßen gut oder schlecht geeignet. Für die Ausfuhr europäischer Wagen nach Amerika setzte man unter anderem auch Fruchtschiffe ein, die sich mit dieser sauberen Ladung auf der Ausreise in die Karibik oder nach Zentralamerika teure Ballastreisen ersparten. Die niedrigen Zwischendecks der „Bananenjäger“ boten genügend Stellfläche für bis zu 500 PKW. Auf den Decks waren Laschringe angebracht, an denen die Autos mit drahtverstärktem Tauwerk festgebunden wurden. Diese sogenannten Herkulestaue wurden doppelt geführt und mit dazwischen gesteckten Törnknüppeln so lange gedreht, bis kein Spiel mehr darin war. Die Törnknüppel wurden dann unter dem Fahrzeug, zum Beispiel an der Stoßstange, festgesetzt. Bei starken Bewegungen des Schiffes auf See kam allerdings nicht selten Lose in die Lasching, und die Autos begannen, begünstigt durch die Federung, auf dem Deck zu tanzen. So war die Besatzung die ganze Reise über damit beschäftigt, die bis zu 2000 Laschings zu kontrollieren und, wenn nötig, wieder „tight“ zu setzen. Bei sehr schwerem Wetter passierte es mitunter sogar, dass Autos, die im Bugbereich abgestellt waren, unter den heftigen Stampfbewegungen des Schiffes regelrecht durchbrachen.   

Mit Herkulestauen und Törnknüppeln laschen die Hafenarbeiter die Wagen vor Antritt der Seereise.
(Foto: Walter Lüden / Archiv DSM)

Jeder freie Raum wird genutzt: Auf Zwischendecks, die hohe Laderäume unterteilen, aber auch schwere Kisten mit anderer Ladung werden die Wagen gestaut. Muskelkraft ist gefragt, wenn die Autos von der engen Lukenöffnung aus an ihren Standplatz verschoben werden müssen.
(Foto: Alfred Rostek)

Die stete Zunahme der Produktion und des Im- und Exports von Kraftfahrzeugen in den fünfziger und sechziger Jahren – 1960 wurden bereits rund 890 000 Auto über deutsche Häfen verschifft, davon allein 232 000 in die USA – förderte allmählich auch wieder den Bau von Spezialschiffen, deren Laderäume effektiver genutzt und schneller be- und entladen werden konnten. Ein erster Schritt auf diesem Weg war die Einrichtung von Massengutschiffen für den Autotransport. Brachten diese Schiffe also beispielsweise Eisenerz von den Fundstätten in Kanada zum Verarbeiter nach Westeuropa, so konnten sie auf der Ausreise Autos als Fertigprodukte an Bord nehmen. Insoweit verhielt es sich in diesem Falle ähnlich wie bei den Kühlschiffen – mit dem Unterschied allerdings, dass die Schiffe von vornherein so ausgerüstet wurden, dass ein schneller Umbau zum effektiv zu nutzenden Autortransporter mit möglichst vielen Zwischendecks (oft Hängedecks) gewährleistet war.

Als Beispiel für ein Schiff dieser Art sei hier die 1963 auf der Lübecker Flender Werft AG gebaute JOHANN SCHULTE der Emder Reederei Schulte & Bruns genannt. Der 22 836 Tonnen tragende Frachter war sowohl für die Massengutfahrt mit Getreide, Kohle oder Erzen geeignet als auch für den Transport von Kraftfahrzeugen. Am 20. Mai 1963, fünf Tage nach der Indienststellung machte das Schiff am Hamburger Burchardkai fest und übernahm mit eigenem Ladegeschirr innerhalb von knapp14 Stunden 1702 VW-„Käfer“ und 250 VW-Transporter, womit die insgesamt sieben Decks gefüllt waren. In der ersten Schicht wurde mit den sechs Ladebäumen des Schiffes ein Stundenschnitt von 170 Wagen geschafft, was für damalige Verhältnisse sehr beachtlich war. Bei reiner PKW-Verladung errechnete man sogar eine Stundenleistung von bis zu 230 Wagen. Wesentlichen Anteil daran hatten nicht nur das von VW entwickelte Ladegeschirr und die insgesamt 52 von der AEG speziell auf den Automobilumschlag abgestimmten Ladewinden, sondern sicherlich ebenso die Geschicklichkeit der Stauereimitarbeiter.

Mit eigenem Spezialgeschirr lädt ein Frachter im Hamburger Hafen Personenwagen, Kleinbusse  und Lieferwagen. Nur beim VW-Käfer konnte man das Ladegeschirr einfach und zeitsparend an den Trägern der Stoßstangen befestigen. Auf Deck des Schiffes liegen die Zwischendecks für die Unterteilung des Laderaums bereit.
(Foto: Walter Lüden / Archiv DSM)

Neben Schulte & Bruns verschifften auch andere in der Massengutfahrt beschäftigte Reedereien – wie zum Beispiel Aug. Bolten und Friedrich A. Detjen in Hamburg oder die Unterweser- und die Schlüssel-Reederei in Bremen – in den sechziger Jahren Autos nach Amerika. Häufig angelaufener Hafen war schon damals Emden. Heute werden hier vor allem noch Volkswagen umgeschlagen. Für die Verschiffung von Fahrzeugen aller Art hat neben Bremen / Bremerhaven und Hamburg stets auch Lübeck eine gewisse Bedeutung gehabt als Brücke nach Skandinavien und bedeutender Fährschiffshafen.

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